TEXT: BETTINA TROUWBORST
Hans van Manen, der in diesen Tagen Juli 80 Jahre alt wird, erzählt in »The Old Man and Me« mit unerschöpflicher choreografischer Erfindungsgabe die Geschichte eines Paares, getanzt in Düsseldorf von Marlùcia do Amaral und – Martin Schläpfer, dem künstlerischen Leiter des Balletts am Rhein. Schläpfer lässt sich von der feurigen Brasilianerin umgarnen, bevor er ihrer Verführungskunst nachgibt. Das Paar kommt sich zu John Cales Blues-Song »The Old Man and Me« nahe, liebt sich zu Igor Strawinsky und trennt sich zu Mozart: dem wunderbar stillen, sanften und wehmütigen 2. Satz, dem Andante, aus dem Klavierkonzert Nr. 23. Keine Geste in diesem anrührenden Pas de Deux ist ohne Bedeutung. Jeder Schritt, jede Bewegung – die slapstickhaften wie die tragischen Momente – sind voller Hingabe. Brillanz bis in die Fußspitzen. Hinreißend, wie die beiden vorgeben, sich gegenseitig wie einen Luftballon aufzupumpen und dabei die Backen blähen und den Atem hervorpressen. Oder wie sie sich auf einer Bank, dem einzigen Requisit auf der Szene, ineinander verschlingen. Höhepunkt der vierteiligen Aufführung.
Zu Beginn des »b.12« betitelten Abends stellt sich Antoine Jully, Tänzer am Haus, als Nachwuchs-Choreograf vor. Sein Ballett »Inside« ist eine verspielte Hommage an den katalanischen Maler Joan Miró. Das weiß ausgestattete Ensemblestück mit dem Drive einer Revue oder eines Hollywood-Musicals überrascht mit einigen choreografischen Einfällen wie etwa einer Szene, in der der Franzose die Tänzer in Posen wie auf einem Gemälde eben des besagten Künstlers verwirbelt. Insgesamt aber kommt »Inside« allzu naiv und dekorativ daher – vollends, wenn dann noch ein Fahrrad die Bühne kreuzt.
»Lontano« (2009) hat Martin Schläpfer sein zwölfminütiges Ballett zur gleichnamigen Komposition von György Ligeti genannt. Bewusst wird das geheimnisvoll dunkle Werk in diesem Programm George Balanchines »Agon« gegenübergestellt, denn Schläpfer hat es als »eine Art Gegenpart« zu dem neoklassischen Meisterwerk von 1957 kreiert, das in perfekter Schönheit dargeboten wird. Schläpfers hochkonzentrierte, nahezu kriegerische Choreografie denkt Balanchines kühle und klare Architektur weiter, ästhetisch visionär, zukünftig und hitzig.
Auff.: 2. Juli, Opernhaus Düsseldorf.