TEXT: INGO JUKNAT
Es hilft nicht unbedingt, schlauer zu sein als das eigene Publikum. Die Goldenen Zitronen wissen das nur zu gut. Ihre Karriere ist eine Geschichte der Missverständnisse. Das fängt schon 1984 an: Punk ist zur Karikatur seiner selbst geworden, zu einer leeren Antihaltung. Vor allem eines ist Mangelware – Humor. Das finden zumindest Schorsch Kamerun und Aldo Moro, die im bierernsten Scherbenkiez der Hamburger Hafenstraße wohnen. Die beiden wollen eine Band gründen, einen Gegenentwurf zu den Klischees der Szene. Heraus kommt ein Kulturschock, Die Goldenen Zitronen. Statt Nietenjacken und T-Shirts tragen sie Schlafanzüge und Plastikblusen. Schlager- und Pop-Elemente verdrängen das übliche Gedresche im Viervierteltakt. Lieder wie »Doris ist in der Gang« oder »Killerhippies From Out Of Space« setzen bewusst auf Nonsens, die Platte »Kampfstern Mallorca dockt an« wird zum Insider-Hit. Eine Zeit lang sind Die Goldenen Zitronen der Punk im Punk. Die vermeintlich unpolitischen Stücke haben nur einen Nachteil – sie bringen der Band den Ruf einer Spaßkapelle ein. Die Goldenen Zitronen geraten in die Schnittmenge von Toten Hosen und Ärzten. Das Ergebnis lässt nicht lange auf sich warten. Plötzlich kommen genau die Zuschauer, die Kamerun & Co. nie wollten – die Mitgröler, Überkopfklatscher und Alko-Punks.
Ende der 80er Jahre zieht die Band die Notbremse. Von nun an werden die Zitronen bewusst sperriger. Es ist der (durchaus lustige) Versuch einer Band, die eigenen Fans loszuwerden. Und es gelingt. Noise- und Jazzelemente irritieren die Bierzeltfraktion, hinzu kommt Kameruns eigenwilliger Sprechgesang, der sich überhaupt nicht zum Mitgrölen eignet. Spätestens seit Ende der 90er haben die Zitronen eine Nische für sich allein – irgendwo zwischen Krach, Indie der Hamburger Schule, Elektro und Jazz. Was immer es ist – mit »Fun« hat es nicht mehr viel zu tun.
Gründungsmitglied Ted Gaier hat inzwischen das Label »Buback« gegründet und bietet intelligentem Pop aus Hamburg und Umgebung eine Plattform. Acts wie Tocotronic, DJ Koze oder Jan Delay veröffentlichen hier ihre Platten. Die Kritiken lieben Buback, den Niedergang der Branche können sie allerdings auch nicht verhindern. Die Krise der Musikindustrie macht auch – und gerade – kleinen Firmen wie Buback zu schaffen. In dieser schwierigen Zeit übernimmt der Maler Daniel Richter das Label. Die Veröffentlichungen nehmen wieder Fahrt auf. In Richters Amtszeit fällt unter anderem das Hitalbum »Mercedes Dance« von Jan Delay und die erfolgreichen Deichkind-Platten. Die wichtigste Entdeckung der letzten zwei Jahre sind 1000 Robota, die es als deutschsprachige Punkband (und noch als Schüler) in den britischen »NME« schaffen.
Heute ist Buback gleichermaßen Heimathafen für Klassiker (Die Goldenen Zitronen, Tocotronic, F.S.K.) und Werft für neuen Pop. Wer beide Seiten des Labels kennenlernen will, hat im Februar eine gute Gelegenheit. Dann geht Buback nämlich mit vier seiner besten Acts auf Tour. Am 19.2. macht der Pop-Wanderzirkus in NRW halt. Dann kann man unter anderem überprüfen, warum es über die junge Punk-Band 1000 Robota bereits einen Dokumentarfilm gibt (der dieses Jahr im Eröffnungsprogramm der Berlinale läuft), warum F.S.K. öfter bei John Peel waren als jede andere deutsche Band und warum Die Goldenen Zitronen eigentlich mehr Gesamtkunstwerk als Popgruppe sind. Ach ja, und nebenbei ist auch noch Gelegenheit, der Lyrik von Kristof Schreuf zu lauschen, den die Zeit-Kritikerin Iris Radisch vor ein paar Jahren für den Bachmannpreis vorgeschlagen hat. So nah wie beim Buback-Labelabend liegen Pop und Kunst selten bei-einander.
Zakk, Düsseldorf, 19. Febr. 2011, 20 Uhr. www.buback.de