TEXT: STEFANIE STADEL
Eigentlich gehören sie gar nicht hierher – in die Galerie. Zu Hause sind Anthony McCalls Lichtskulpturen zumindest ganz anderswo. Im New Yorker Loft, der vor 40 Jahren noch nicht teuer, schick und clean war wie heute. Wo damals noch geraucht wurde wie wild – drinnen, nicht vor der Tür. Genauso muss es gewesen sein bei McCall: Als man im Atelier, umgeben von Staub und Rauch, mit ansehen konnte, wie das Licht aus dem Projektor beinahe greifbar wurde. Wie es seinen Weg nahm: von der Quelle, durchs Nichts, an die Wand.
Dies war der Ort, an dem der 1946 in London geborene Filmer und Künstler seine einzigartigen, überaus einnehmenden Lichtinstallationen entwickelte, die heute zusammen mit ihren mannigfach abgewandelten und auf den neuesten Stand der digitalen Technik gebrachten Nachfahren in Museen und aktuell auch bei Thomas Zander in Köln überwältigen.
Neben Zeichnungen und frühen Diaprojektionen sind dort zwei recht neue Lichtskulpturen des Künstlers zu erleben: Im Stockfinsteren zieht gleißendes Licht seine Bahnen durch den Raum – kaum merklich zwar, aber ständig in Bewegung –, bis es sich in Form klarer Kurven an der Wand abzeichnet. Einmal fügen sich die Umrisse von zwei halben Ellipsen vorübergehend zur ganzen. In der anderen Installation schlängeln sich Wellenlinien, bilden bald einen Kreis, um gleich darauf wieder auseinanderzudriften.
Der für das Spektakel nötige Dunst kommt nicht aus der Zigarette, er entweicht in regelmäßigen Intervallen einer kleinen Nebelmaschine, um das Licht im Raum zu brechen. Es gleichsam als fließende Wand erscheinen zu lassen, durch die man sich überall hindurch bewegen kann und dabei leicht den Boden unter den Füßen verliert.
»Line describing a cone«, hieß 1973 die erste noch sehr viel einfacherer Arbeit dieser Art. Mit ihr begann einst McCalls ansehnliche Karriere, die ihn während der 70er Jahre auf die Documenta 6 nach Kassel und zweimal zur Venedig-Biennale führte. Danach war es erst einmal rund 20 Jahre lang ruhig um ihn. Unzufrieden hatte er sich zurückgezogen aus dem Betrieb, weil der Ausstellungsraum eben doch kein staubiger Loft ist, weil die Nebelmaschine noch nicht erfunden war. Und wohl auch, weil der Kunstmarkt seinerzeit einfach noch nicht reif war für seine Lichtspielereien zwischen Film und Skulptur.
Die Zeit hat für McCall gearbeitet. Heute ist der Künstler 66 Jahre alt, ein Star und immer wieder gern gesehen – zur Zeit auch im Hamburger Bahnhof in Berlin, wo seine deutschlandweit erste große Einzelausstellung gleich sieben Lichtprojektionen vereint.
Bei Thomas Zander lernt man McCall daneben auch als Zeichner kennen, der in sogenannten »Footprints« die Lichtlinie seiner Projektionen in verschiedenen Stadien auf Papier fixiert. Eine schöne Ergänzung dazu bieten zwei Arbeiten, die mit dem klackernden Dia-Karussell McCalls Anfänge in der New Yorker Avantgarde-Szene belegen.
So also hat alles begonnen. Und wie geht es weiter? Mit Grafit und Gouache deutet der Künstler es bei Zander an. Schon zur Olympiade dieses Jahr dürfte der in Köln skizzierte Plan Wirklichkeit werden. McCall will hoch hinaus mit seiner drehenden Säule aus Wolken – im Nordwesten Englands soll sie sich von der Oberfläche des Meeres aus in die Unendlichkeit schrauben.
Bis 24. Juni 2012, Galerie Thomas Zander, Köln. Tel.: 0221/934 88 56. www.galeriezander.com