TEXT: STEFANIE STADEL
Ein Glas voll Wasser – nichts steht daneben, nichts steckt dahinter. Das Motiv füllt das Foto, wirkt für sich. Es erzählt nichts, bedeutet nichts, will nichts sagen. Das klingt schlicht und einfach. Doch schaut man mit Thomas Florschuetz auf den gemeinen Gegenstand, entwickelt er unversehens erstaunlich vielfältige Reize, bietet Stoff für manch optisches Spektakel. Wenn sich das Licht bricht, Schatten ins Spiel kommt. Wenn hier und da Farben durchscheinen, Reflexe das Umfeld andeuten. Wenn Kondenswasser die Sicht vernebelt oder – zu Tropfen verdichtet – erfrischend die transparente Wand hinunterperlt. Gelegentlich wirft der Fotograf ein paar Eiswürfel ein, um dem Schauspiel noch weitere interessante Effekte abzugewinnen.
»Glas/Wasser« ist eine von drei neuen Werkgruppen, die Florschuetz jetzt in der Galerie m in Bochum nebeneinander hängt. Sie sprechen dieselbe Sprache, obwohl die Schauplätze tausende von Kilometern voneinander entfernt liegen. Für die Serie »Untitled (K52)« reichte Florschuetz die Aussicht aus seinem zugefrorenen Atelierfenster in Berlin Prenzlauer Berg. Für die Reihe »Enclosure« reiste er dagegen bis nach Indien, wo der Fotograf sich die sogenannten Jali vornahm – häufig mit aufwendigen Ornamenten bestückte Bauteile, die als Fenster, Raumteiler oder Balkon-brüstung dienen.
Alle drei nun präsentierten Serien sind in den letzten paar Jahren entstanden und eine wie die andere drehen umkreisen Phänomene der Wahrnehmung. Ein Thema, das den Fotografen seit Jahrzehnten umtreibt – egal ob er die Wolken vorüberziehen sah, den Faltenwurf von Vorhängen studierte oder Streifzüge durch das Regierungsviertel von Brasilia unternahm. Gleichgültig, ob er amerikanische Kampfjets ins Visier fasste oder sich mutig ans verdächtig dekorative Blumenmotiv heranmachte.
ALLS BEGANN MITT DER 80ER JAHRE IN DER DDR
Das Sujet scheint nebensächlich – was für Florschuetz zählt, ist der Sinneseindruck. Offenbar war das aber nicht immer so. Zumindest die frühen Fotos des 1957 in Zwickau geborenen Künstlers deuten doch auch auf ein inhaltliches Interesse am Motiv hin. Es war Mitte der 80er Jahre in Ost-Berlin, als er damit begann, die Kamera auf den eigenen Körper zu richten und sich damit entschieden vom in der DDR so geschätzten dokumentarischen Ansatz zu distanzieren.
Für den jungen Autodidakten wurde der Fotoapparat damals zum Instrument der Selbstbespiegelung. Selbst vor theatralischen Gefühlsausbrüchen und inszenierten Akten der Selbstzerstörung machten jene frühen verzerrten Schwarzweißaufnahmen nicht Halt. Mit dem Umzug in den Westen hielten 1988 Farben und große Formate Einzug ins Werk. Ganz nah rückte Florschuetz dem eigenen Leib nun auf die Pelle, entdeckte mit dem Fokus aufs Fragment dessen formale Qualitäten.
Der seither deutlich spürbare Hang zu einnehmenden Effekten legt die Vermutung nahe, dass Florschuetz nicht lange zögerte und nach Farbe und Format auch die digitalen Möglichkeiten für seine Zwecke zu nutzen suchte. Ein falscher Verdacht. Bis heute enthält er sich solcher Manipulationen, fotografiert weiterhin analog. Florschuetz bleibt authentisch – selbst beim verlockenden Blick aufs Wasserglas.
Bis 21. August 2013, Galerie m Bochum. Tel.: 0173 / 5775667. www.m-bochum.de