TEXT: STEFANIE STADEL
Müde Mittagsstimmung an einem trüben Sonntag: Zwei, drei Kinder spielen vor der Tür, nebenan trägt jemand den Müll raus, ein paar Häuser weiter hört man durchs offene Fenster den Staubsauger rauschen. Und mitten drin strahlt fast feierlich jener weiße Rundbau. Er sieht ein bisschen so aus wie die moderne Version eines antiken Tempels – von schlanken Pfeilern umstanden und durchbrochen von Fenstern, die bis unters Dach reichen.
Gottfried Böhm hatte seine Kirche Mitte der 50er Jahre auf 10.000 Quadratmeter Freifläche gepflanzt, vor die Tore Kölns ins wenig heimelige Hürth-Kalscheuren. Heute zeigt sie sich dort eingekastelt zwischen Reihenhausrabatten. Das bisschen Wiese, das blieb, ist eng umzäunt – als wolle sie sagen, »rückt mir nicht noch näher auf den Leib«. Sie heißt auch nicht mehr Sankt Ursula, denn das bemerkenswerte Frühwerk des großen Kölner Architekten wurde vor ein paar Jahren unter heftigen Protesten profaniert. Inzwischen steht der schicke Namen »Böhm Chapel« auf dem Schild neben der Pforte. Er passt sicher besser zur neuen Funktion: Der nach ein paar Jahren in Berlin an den Rhein heimgekehrte Top-Galerist Rafael Jablonka hat hier ein Außenquartier aufgeschlagen.
Ist man einmal eingetreten, sind Mülltonne und Staubsauger schnell vergessen. Selbst an diesem trüben Tag wirkt das Licht bestimmend für den runden Raumeindruck. Es dringt durch das schmale Fensterband unter der Decke, bringt so das Dach zum Schweben. Und es strömt von allen Seiten durch die raumhohen Öffnungen. In die Konchen zwischen die großen Fenster hat Jablonka für seine erste Ausstellung an diesem Ort behutsam fünf neue Arbeiten des amerikanischen Künstlers Terry Winters gehängt.
Stark farbige Abstraktionen sind das, die schichtweise konstruiert scheinen und den Blick forschend in die Tiefe ziehen: Was kommt hinter dieser, was hinter der nächsten Ebene? Manchmal erinnern die Formen an Organisches, öfter aber an kristalline oder digitale Muster. Fast immer überspannen netzartige Strukturen das Bildfeld und nehmen Kontakt auf zum dunklen Geflecht in den schönen Kirchenfenstern.
Gut, dass Jablonka in seiner Böhm Chapel auf künstliches Licht verzichtet – auch wenn das die Öffnungszeit in den Wintermonaten stark einschränkt. Und noch besser, dass für ihn auch in Zukunft Stellwände hier nicht in Frage kommen werden.
Es ist ein geglückter, vielversprechender Auftakt. Ohne Eile und mit Rücksicht auf den sehr speziellen Raum soll es weitergehen. Nach Winters wird im April Sherrie Levine ein-ziehen und Böhms Kapelle künstlerisch neu beleben.
Bis 27. März. Böhm Chapel, Hans-Böckeler-Str. 170, Hürth Kalscheuren. Geöffnet: Samstag und Sonntag 11 bis 14 Uhr.
Parallel dazu sind Arbeiten von Terry Winters auch in der Jablonka Galerie, Lindenstr. 19, in Köln zu sehen. Geöffnet: Dienstag bis Freitag, 10 bis 13 und 14 bis 18 Uhr. Tel. 0221/2403426. www.jablonkagalerie.com