TEXT: STEFANIE STADEL
»Wei nott« – das klingt nach Selbstverteidigung. Doch hat Andreas Schulze den Spruch, so wird versichert, wohl ohne solche Hintergedanken in seinen künstlerischen Cover-Entwurf integriert. Er schmückt jene große Zeitung, die Kölns junge Galeristen derzeit gratis unters Kunstvolk bringen. Why not? Warum nicht eine Galerie in Köln aufmachen? Warum nicht dem Berlin-Hype trotzen? So ließe sich die Frage vervollständigen. Immerhin kann Köln elf furchtlose Neugründer aufweisen – elf Galerien, keine älter als fünf Jahre. Unter dem Namen »cologne contemporaries« riefen sie alle zusammen erst kürzlich zum Galerienrundgang. Gut gelaunt, wie sich das gehört, mit Party, Versteigerung, mit besagter Zeitung. Und mit elf frischen Ausstellungen – die meisten davon laufen bis Januar und können einen schönen Eindruck vom Angebot der jungen Kölner vermitteln.
Auf dem »cologne contemporaries«-Stadtplan finden sie sich weit verteilt zwischen Nord und Süd. Die meisten im Belgischen Viertel, daneben neuerdings auch ein paar am nördlichen Rand der Kölner Innenstadt. Dort hat sich auch Charlotte Desaga niedergelassen, von Hause aus Künstlerin, vorübergehend Organisatorin eines Projektraums und seit ungefähr einem Jahr Galeristin. Warum nicht in Berlin? Über diese Option habe sie eigentlich nie ernsthaft nachgedacht. Wegen der ungeheuren Konkurrenz komme dieser Standort für sie nicht in Frage. Außerdem ist Desaga überzeugt, dass es in Köln und im Rheinland weniger Berührungsängste gegenüber aktueller Kunst gibt und mehr inhaltliches Interesse. »Wegen der dichten Kunstmarktgeschichte hier sind die Kölner und die Düsseldorfer den Umgang damit vielleicht einfach mehr gewöhnt.«
Am Eröffnungsabend zuvor konnte sie es spüren: Als die kleine Galerie und der Innenhof davor brechend voll waren. Desaga bietet dort bis ins neue Jahr hinein eine beachtliche, liebevoll kuratierte Gruppenschau, in der es – etwas sperrig gesprochen, und manchmal auch gedacht – um »Prozesse des Publizierens« geht. Zu den fünf Künstlern oder Kollektiven, die sich auf engem Raum zusammenfinden, zählt auch ein so prominenter wie Roman Ondák. In »Awaiting Enacted« zeigt der 44-jährige Slowake den Kreislauf von Angebot und Nachfrage im Stillstand: Bilder von Leuten, die Schlange stehen, ersetzen sämtliche Pressefotos in einer kostenlosen Lokalzeitung.
Aus Desagas Tür heraus, ein paar Hausnummern weiter, haben sich, ebenfalls vor rund einem Jahr, Anna-Luisa Rittershaus und Alexander Warhus mit ihrer Neugründung niedergelassen. Sie Kunsthistorikerin, er ehemals Künstler und Schüler von Albert Oehlen an der Düsseldorfer Akademie. Die beiden haben ihre Galerie für die kommenden Wochen dem in Berlin lebenden Briten Ben Cottrell (geb. 1972) überlassen, der plastisch arbeitet, druckt, aber vor allem malt. Mit viel Farbe bringt Cottrell mystisch überladene Ideen auf die Leinwand: Entfesselte Natur, wuchtige Wolken in gelb und rosa, nackte Frauen, die unter der wirbelnden Hand des Malers mit der Landschaft verschmelzen und Ähnliches mehr. Man muss es mögen.
Publikum zumindest gab es auch dafür reichlich am Eröffnungs-Wochenende der »cologne contemporaries«. Die Rheinländer, das kann man wohl sagen, machen mit, wenn sich etwas Neues tut in der Kunst- und Galerienszene. »Es ist toll zu sehen, wie es funktioniert, wenn alle an einem Strang ziehen«, strahlt Rittershaus. Dabei geht das einst von Art Cologne-Chef Daniel Hug ins Leben gerufene, aber inzwischen unabhängige Gemeinschaftsprojekt der jungen Kölner nun immerhin schon ins dritte Jahr. Rittershaus bezweifelt, dass so etwas in Berlin, wo sich hunderte Galerien den Markt teilen, so entspannt möglich wäre.
Es ist nicht die einzige Kooperation hiesiger Galerien. Erst vor wenigen Monaten waren an die 70 Kölner und Düsseldorfer unter dem Label »DC Open« mit exklusiver Sammlerparty, gemeinsamen PR-Anstrengungen und Shuttle-Service in die Herbstsaison gestartet. Solche Unternehmungen, das hat sich gezeigt, können helfen, Sammler wie Kuratoren von hier und auch von anderswo mobil zu machen.
Bei Schmidt & Handrup führt ihr Weg durch die Tordurchfahrt an dicken Zeitungsbündeln mit dem bekannten Spruch vorbei: »Wei nott«. Warum nicht Köln für den Karrierestart wählen? Natürlich gibt es eine Menge Gründe, die gegen das Rheinland und für Berlin sprächen. Denn da ballen sich nicht nur die Galerien. Auch entscheidendes institutionelles Publikum sammelt vor allem dort Informationen. Deshalb wollen sich viele Kreative nicht irgendwo, sondern eben am Nabel der Kunstwelt vertreten sehen. Und nicht zuletzt leben in Berlin inzwischen ungeheuer viele auch internationale Künstler, zu denen man als Galerist vor Ort sicher unkomplizierter Kontakt halten könnte.
Trotzdem haben sich 2008 auch Schmidt & Handrup für Köln entschieden. Derzeit präsentieren sie in ihrem großzügigen Ausstellungsraum die 41-jährige US-Künstlerin Stephanie Snider mit interessanten Collagen, die etwas von phantastischen Bühnenbildern haben, wo sich Ornamente, Symbole, landschaftliche und architektonische Elemente mischen.
Von hier aus sollte man sich in jedem Fall noch auf den Weg zum kleinen Ladenlokal von Krupic und Kersting machen. Nur um ein paar Ecken, dann steht man vor dem Schaufenster und blickt auf ein ausuferndes Konglomerat aus geometrischen Styroporteilen. Claudia Marcela Robles hat es in tagelanger Kleinarbeit bis in die Nächte hinein zusammengepuzzelt und unter die Decke gehängt. Auch den kleineren plastischen Arbeiten bei Krupic und Kersting, aus Holz oder Papier etwa, merkt man Robles architektonischen Hintergrund an: In ihrer Heimat hatte die Argentinierin ein Architekturstudium abgeschlossen, bevor sie an die Düsseldorfer Akademie wechselte, wo die 39-Jährige bis vor kurzem als Meisterschülerin die Bildhauerklasse von Didier Vermeirens besuchte.
Eins zumindest kann man sagen nach der Runde durch die jungen Kölner Galerien. Mit ihren doch recht persönlichen Programmen werden sie sich – was die Konkurrenz betrifft – wohl kaum in die Quere kommen. Einer vierten Ausgabe der »cologne contemporaries« würde von daher nichts im Wege stehen. 2011 vielleicht mit ein paar weiteren Neuzugängen? »Wei nott«.