TEXT: STEFANIE STADEL
Hier gab es alles: Billig-Parfüm, Rassehunde und Damenwäsche, Feuerwaffen, gefälschte Führerscheine und geschmuggelte Zigaretten. Der »Jahrmarkt Europa« – nach Öffnung des Ostblocks hielt er sich über zehn Jahre als riesiger Umschlagplatz mitten in Warschau. Nun ist das Geschichte. Heute steht an seiner Stelle das neue Stadion für die Fußball-Europameisterschaft 2012.
Das Foto auf der Einladungskarte zu Monika Sosnowskas Ausstellung bei Gisela Captain in Köln zeigt die schrottigen Verkaufsstände jenes legendären Bazars zwar verlassen, aber noch intakt: einfaches Stahlgestänge, gedeckt mit knallblauer Plastikplane. In den Räumen der Galerie schaut die Sache allerdings ganz anders aus. Da stehen und liegen die Metallkonstruktionen raffiniert verbogen, zerdrückt, in sich gedreht auf dem Fußboden. Eine hängt auch von der Decke.
Allesamt kräftig grün angestrichen, scheinen sie ihrer alten Funktion völlig entrückt. Wirken wie eine Mischung aus deformierter Alltagsarchitektur und abstrakten Skulpturen mit Anklängen an Konstruktivismus und Minimalismus. Wobei das verbogene Gestänge im leeren Raum, auf blankem Boden, vor weißer Wand beinahe etwas Zeichnerisches gewinnt. Es ist genau das, was man von Sosnowska erwartet, denn schöne, schräge Raumskulpturen mit sozialem oder politischem Hintergrund sind ihre Stärke.
Spätestens seit der Venedig Biennale 2007 ist die 1972 geborene Künstlerin, die in ihrer polnischen Heimat klassische Malerei studiert hat, eine feste und ziemlich gefragte Größe auf internationalem Kunstparkett. Damals hatte sie eine haushohe schwarze Stahlkonstruktion in den polnischen Pavillon gezwängt. Im Rheinland noch bekannter ist sicher ihre Arbeit in der Düsseldorfer Kunstsammlung K21, wo Sosnowska 2010 eine lädierte Wendeltreppe schief und krumm von ganz oben fast 20 Meter hinab ins Foyer hängte und dabei nicht zuletzt an Fluchttreppen erinnerte, wie man sie in Polen an den Außenfassaden klassisch-sozialistischer Wohnblöcke findet. Das nutzlos gewordene, im K21 abgelegte Relikt aus vergangenen Tagen wird hier zum Zeichen für den Niedergang der modernistischen Utopie.
Die verbogenen Marktstände jetzt bei Capitain scheinen dieser Arbeit eng verwandt – nicht nur formal, auch inhaltlich. Denn wie bei der Wendeltreppe schwingen auch diesmal wieder Erinnerungen an vergangene Systeme, Institutionen, Utopien mit. Der »Jahrmarkt Europa«, jene präkapitalistische Shopping Mall, ist verschwunden. Er hat Platz gemacht für das schicke EM-Stadion, Symbol des Übergangs in eine neue Ära.
Bis 22. Juni 2012. Galerie Gisela Capitain, Köln; Tel.: 0221/3557010; www.galeriecapitain.de