TEXT: STEFANIE STADEL
Sie würde gut in einen Krimi passen. Jene gepflegte Frau, die ihre Augen hinter den großen Gläsern einer dunklen Sonnenbrille verbirgt. Ruhig, aber doch irgendwie angespannt sitzt sie auf einem Gartenstuhl im Grünen. Vor sich auf dem Tisch ein aufgeschlagenes Buch, das sie allerdings wenig zu interessieren scheint. Ihre Gedanken sind offenbar anderswo.
Wer ist das, was will diese Frau und worauf wartet sie? Ihr Name ist Aino Kannisto, sie arbeitet als Fotografin. Und sie lichtet ausschließlich sich selbst ab, schafft dabei aber niemals echte Selbstporträts.
Kannisto gehört zu jener Gruppe von Fotografen, die an der Kunsthochschule der finnischen Hauptstadt studiert haben und unter dem Label »Helsinki School of Photography« international Erfolge verbuchen. Seit rund 15 Jahren betreibt sie nun schon ihr spannendes Spiel mit der eigenen Person. In der Galerie m in Bochum präsentiert die 38-Jährige jetzt einzelne ganz frühe, bisher nie gezeigte Fotos aus den späten 90er Jahren und daneben eine Reihe neuer Arbeiten.
Mit Blick auf diese Bilder, die alten wie die neuen, wird schnell klar: Auch wenn das Model überall dieselben Züge trägt, verkörpert es doch immer wieder eine andere Frau in ihrer eigenen Welt – gepflegt, verwahrlost, arriviert, derangiert, deprimiert, aufgewühlt, resigniert. Mit großer Brille im Grünen, Walnüsse knackend am Küchentisch, mit Handtuchturban in der Badewanne, als dunkle Silhouette am Fenster, mit verschränkten Armen und traurigem Blick im Treppenhaus.
Oft braucht Kannisto Tage, bis sie so ein Bild gefunden hat. Bis alles stimmt: der Ausdruck, das Outfit, der Schauplatz, das Licht, die Atmosphäre. Und das Miteinander.
Spielte dabei vor ein paar Jahren noch die Erzählung eine zentrale Rolle und rückten ihre Arbeiten zuweilen sogar in die Nähe von Filmen, so verliert sich das Narrative seit 2010 zusehends. Stattdessen werden Farben, Strukturen, die Komposition wichtiger in den neuerdings recht reduzierten Arrangements: Der Ton der Tapete, die Kleidung der Frau, die Dinge um sie herum – alles scheint bis ins kleinste Detail formal aufeinander abgestimmt, geht mitunter gar auf in einem abstrakten Farb- und Flächengefüge.
Etwa wenn sich die Künstlerin in weißer Bluse vor weißem Vorhang und neben weißen Blumen an einem Tisch in Szene setzt. Mit einem weißen Taschentuch in der Hand, um den roten Strom zu stillen, der aus ihrer Nase rinnt. Und wieder bleibt – wie so oft bei Kannisto – jenes merkwürdige Gefühl unaufgelöster Spannung.
Bis 21. April 2012. Galerie m Bochum; Tel.: 0234 / 43997; www.m-bochum.de