TEXT: STEFANIE STADEL
Ein schwarz-weißes Passbild, in der hintersten Ecke der Galerie. Es zeigt einen kleinen Jungen im Mädchenkleid: Der Künstler selbst, Danh Vo vor gut 30 Jahren. Das Werk spricht für sich. Die eigene Herkunft, die persönliche Geschichte lässt den Jungkünstler nicht los – zumindest scheint es so. Auch wenn die Bezüge nicht immer so offen liegen wie im Foto, das einst für Danh Vos ersten Pass geschossen wurde.
Der Vierjährige war damals eben mit seiner Familie in Kopenhagen angekommen. Gemeinsam hatte man die Flucht aus einem Lager auf der vietnamesischen Insel Puh Quoc überstanden. Eigentlich sollte sie auf einem vom Vater heimlich gezimmerten Boot nach Amerika führen, endete aber in Dänemark, weil ein dänischer Frachter es war, der die verzweifelten Flüchtlinge auf hoher See fand und sie an Bord nahm.
Inzwischen lebt Danh Vo als Vietnamese mit dänischem Pass in Berlin-Kreuzberg und ist daheim im internationalen Kunstbetrieb, der seine Selbst-Inszenierung und das rätselhafte Spiel rund um die eigene Identität mit großem Beifall honoriert. Sie brachten ihm hochdotierte Auszeichnungen ein und eine Nominierung für den wichtigen Preis der Nationalgalerie in Berlin. Außerdem große Auftritte – zuletzt in der Kunsthalle Basel und aktuell bei der Berlin Biennale, wo der Künstler sein Badezimmer zur Besichtigung frei gibt.
Die Kacheln dort sind die gleichen wie an der Wand, die Danh Vo jetzt in die Kölner Galerie Daniel Buchholz gerückt hat – mit filigranem Pflanzenmuster in einem warmen Rot-Ton. Nicht irgendwelche Gewächse sind da aufgedruckt. Sie haben eine Geschichte wie alles, was der Künstler in seinen ästhetisch ausgefeilten, komplexen, oft widersprüchlichen, meistens irgendwie anziehenden Arrangements zusammenbringt. Und wie gewöhnlich ist diese Historie auf mehr oder weniger verworrenen Wegen mit dem Künstler, seiner Vergangenheit, seiner Familie verbunden.
Im Falle des Kacheldesigns kommen Katholizismus und Kolonialgeschichte ins Spiel. Denn es war ein französischer Missionar, der um 1900 die Gräser, Farne, Blumen in China und Tibet erfasst hatte. Auch die vom Künstler geplante Begrünung des Galerienhöfchens geht auf eben jenen Missionar zurück, der gemeinsam mit anderen entsprechende Büsche und Blumen listete, bevor ihn Einheimische zu Tode brachten.
Dazu wiederum passt das Ende von Jean-Charles Cornay: Auch er Franzose, auch er Missionar, allerdings in Vietnam, wo er am 20. September 1827 angeblich in zwanzig Stücke zerteilt wurde. Ein unbekannter Maler brachte das Martyrium auf die Leinwand und Danh Vo druckte dessen Bild auf einen seidenen Duschvorhang, der nun duftig eine Wand des Aus-stellungsraumes verschleiert.
Der Künstler kreiert kaum etwas allein. Er sammelt Dokumente, Fotos, Artefakte. Alles fließt ineinander und belebt nebenbei immer wieder das alte Konzept vom Tod des Autors. Derweil Danh Vo das eigene Ich auch rein formal verschwimmen lässt: Angeblich hat er mehrmals geheiratet und sich sofort wieder scheiden lassen, allein um seinen Nachnamen künstlerisch in die Länge zu ziehen. Er hat es geschafft, sich selbst als Kunstfigur zu etablieren. Die Gemeinde liebt seine Geschichten, auch wenn Danh Vo selbst den Drang nach Klärung geschickt bremst. »Alles wird heute im Kunstbetrieb so schnell verstanden«, so bemerkte er jüngst in einem Interview. »Ich selbst verstehe kaum etwas.«
Bis 21. August. Galerie Daniel Buchholz, Neven-DuMont-Straße 17, 50667 Köln. Tel.: 0221/257 49 46, www.galeriebuchholz.de