TEXT: KATJA BEHRENS
Übergänge sind ihr Thema, Verwandlung, Grenze, Bewegung. Immer wieder betont Vers Lossau (geb. 1976) die Bedeutung von Wandel, Durchlässigkeit, Bedeutungsverschiebung für ihr künstlerisches Werk. So scheint es nicht verwunderlich, dass Fenster und Türen ihr Motive werden. Durchgang, Schwelle, Durchlass. Funktion und Kontext werden dabei verschoben oder gänzlich zunichte gemacht. Was tut man auch mit einem Fenster, durch das man gar nicht schauen kann? Ein Fenster, das kein Licht einlässt – und damit nicht nur sein lebenspraktisches Funktionieren, sondern auch seine metaphorische Bedeutsamkeit negiert?
Zu ihrer aktuellen Ausstellung bei Rupert Pfab verschickt die Künstlerin, die an der Düsseldorfer Akademie bei Rita McBride und Magdalena Jetelová studierte, die Fotografie einer Spiegelung als Einladungskarte. In einem glänzenden Abendmahlskelch spiegelt sich ein Kirchenraum, rund gewölbt, mit Lichtreflexen, Schatten, Kirchenmobiliar. Das christliche Altargerät, das den Messwein weiht und heiligt, ist Sinnbild für die Transsubstantiation schlechthin, die Wesensverwandlung: Die Gestalt bleibt, nicht aber die Substanz.
Vera Lossau hat keine Scheu, auf existierende Kunstwerke hinzuweisen, mythologische, theologische, kulturhistorische Bilder für ihre eigenen Arbeiten zu nutzen und sie mit neuem Gehalt zu füllen. So tauchen in ihrem Werk verschiedene Motive immer wieder auf: Verhüllungen, barocke Ornamente, Hände, Pflanzen, Tiere, auch Boxhandschuhe oder zerfetzte Autoreifen, Streichhölzer. Die Künstlerin lässt sich nicht auf ein Medium oder ein bestimmtes Thema festlegen. Fixierung und Feststellung scheinen ihr oft zu absurd. Manchmal überführt sie Motive aus Gemälden ins Skulpturale. Oder, wie jetzt anlässlich ihrer aktuellen Ausstellung, die Fensterrosette einer gotischen Kathedrale: »Mercury Falling« (2011). Die Durchbrüche des Kirchenfensters, durch die eigentlich das Licht (des himmlischen Jerusalem) einfällt, werden als Negativform nachgebildet, die Stege des Maßwerks hingegen bleiben ausgespart. Wie dicke glänzende, feuchte Tropfen und Blüten stehen die einstigen Öffnungen nun auf der Wand und bilden das Rund der Rosette nach. Ein großes Auge, das in den Raum blickt.
Apropos Auge. Die zweite der drei großen Arbeiten bei Pfab »The Reclaim« (2011) besteht aus zwei Tresortüren. Hier nun sind es nicht allein die außerkünstlerischen Bezüge auf ein Gebrauchsobjekt, sondern vielmehr ist es die eigene Imagination, die das Objekt schauerlich besetzt. In eine der vermeintlich aus schwerem Stahl, tatsächlich aber in Aluminiumguss gefertigten Türen ist ein »Spion« eingelassen. Das kleine runde Guckloch aber ist so angebracht, dass es nur von der anderen Seite her benutzt werden könnte. Man müsste im Innern des Tresors sitzen, dann könnte man hinausschauen. Allein schon die Vorstellung ist beängstigend. Mit wenigen Eingriffen gelingt es der Künstlerin hier, einen kleinen Raum zum Albtraum zu machen – die Herstellbarkeit von klaustrophobischem Schrecken zu zeigen. Tröstlich, dass an den Türen ein gewöhnlicher Bartschlüssel mit Klebeband befestigt ist, der mit abgegossen wurde: die ironische Brechung als Erlösung.
Bis 25. Februar 2012. Galerie Rupert Pfab, Poststr. 3, 40213 Düsseldorf, www.galerie-pfab.com. Vom 10. Febr. bis 9. Mai 2012 nimmt Lossau an einer Gruppenausstellung im KIT. Kunst im Tunnel, Düsseldorf teil.