Wann haben Sie zuletzt mit ihrem Kühlschrank gesprochen? Sich gewünscht, Ihr Haus würde Ihnen eine nette SMS in den Urlaub schicken: »Einbrecher im Wohnzimmer. Siehe Videodatei«. Es ist ja eine alte Sehnsucht des Menschen, seinen Schöpfungen möge Leben innewohnen. In Duisburg strebt sie ihrer technologischen Erfüllung zu. In Gestalt des »intelligenten Hauses« (»inHaus«), probt das Fraunhofer Institut auf dem Gelände der Mercator-Universität seit fünf Jahren die Zukunft des Wohnens. Das erste vollautomatisierte »Internethaus« Deutschlands, auch »Smarthome« genannt, ist ein riesiges Netzwerk, an das Heizungen, Wasserhähne, Betten, Türen, Licht, Rollos, Küchegeräte etc. angeschlossen sind. Ein computergelenkter, weltweit fernsteuerbarer Haushalt, angedockt an Internet und Handy. Elektrisiert dürfen wir nun vermelden, dass im März der Bau einer zweiten, noch größeren »inHaus2«-Forschungsanlage beginnt, für das »E-Living« der Zukunft in Pflegeheimen, Büros, Hotels.
Wunderbare Wohndinge werden über uns kommen. Statt morgens einfach unplugged die Vorhänge aufzuziehen, tritt das »Tageslicht-Kunstlicht-Management« in Aktion und aktiviert ein vordefiniertes »Morgen-Szenario«. Die Bettmodule des »Ambient Intelligenz-Modells Nebula« projizieren etwa einen Sonnenaufgang an die Decke, der sich gewaschen hat, dazu erschallt Strauss’ »Also sprach Zarathustra«, und in dieser Morgendämmerung der Menschheit schreitet der einst zerknautschte Morgenmuffel erhaben ins Bad, während der Bewegungsmelder die Bettflucht der Kaffeemaschine funkt und diese ihr Werk beginnt. Verzichten wird der smarte Wohner vielleicht auf eine etwas grenzwertige japanische Variante der Vitalmatratze, deren Sensoren zur Nacht unsere Gesundheit checken, die Daten im Nachttisch sammeln, auswerten und notfalls an den Hausarzt durchgeben.
Wenn alles gut geht, schreitet man leichtfüßig auf die Personen-Kennungswaage des Smartmirrors. Der spiegelt das Wunschprogramm ein (Persönlicher Trainer / Golfschwung üben), während die sprachgesteuerte Armatur auf Zuruf (»Aua«) die Temperatur variiert und in der Küche Milch und Eier aus der Tiefe des Kühlschranks Botschaften senden über die Hinfälligkeit allen Daseins (Verfallsdatum überschritten). Der Rauchmelder bestellt nach der ersten Zigarette selbsttätig die Feuerwehr, während die nicht mehr ganz tüchtige Heizung den Kundendienst hermailt und sich im intelligenten Garten ein Mäh-Roboter in Bewegung setzt. Wie gut, dass einem noch rechtzeitig einfällt, dass der Service-Saugroboter zwar alle Räume gescannt hat, aber nicht das umhertapsende Meerschwein.
Im intelligenten Haus ist Leben in der Bude. Natürlich gibt es auch Niederlagen. Wer beschreibt die Wehmut, wenn man an einem eisigen Tag vom Büro aus schon die Wanne hat füllen lassen, aber nicht ins kuschelige Smartheim kommt, weil die Türsprechstelle zwar während der Bürokonferenz alle daheim Anklingelnden via Handy mitgeteilt hat, aber den Fingerprint unseres eiskalten Händchens nicht erkennt und weder Home-Delivery-Box (vulgo Briefkasten) noch Haustür öffnet. Nicht richtig smart ist auch, wenn das Haussteuersystem aussetzt, ein Modul ramponiert ist, der Elektrosmog einen elektrisiert oder der Funkkontakt erlischt. Dass Dreijährige auf den Sensortasten herumpatschen, Hacker den Multimedia-Kühlschrank Nachschub ohne Ende im Internet bestellen lassen. Oder man einfach mal Dummheiten machen will. Ein Fenster manuell öffnen, wie in alten Zeiten, die Nase in die Luft stecken. Was die energiesparend mit dem Wetterdienst korrespondierenden Fenster zu verhindern wissen. Wie überhaupt das Smarthaus stramm auf die künstliche Intelligenz zusteuert. Jetzt schon beobachtet und speichert es das Verhalten seiner Bewohner und erstellt Profile – die reine Freude für jeden Fahnder.
Bevor man ganz aus dem Häuschen gerät über Duisburgs Innovation, muss daran erinnert sein, dass es so etwas schon gab. Das erste Musterhaus der Zukunft war die vollautomatisierte »Villa Arpel« eines gewissen Jacques Tati von 1958. Den katastrophischen Probetestlauf mit einer Versuchsperson namens Monsieur Hulot zeigt die Aufzeichnung »Mon oncle«, die Truffaut einen »Dokumentarfilm von morgen« nannte: Trottel der Technik, durch Schaltkreise strudelnd, von Hightech gefoppt, der Freiheit beraubt und unbehaust. Und 1968 entstand bereits der Urtyp des gewerblichen »inHaus2«: das Raumschiff Discovery von Stanley Kubrick, kontrolliert vom Supercomputer HAL. Kubrick zeigte, was zu tun wäre mit Wohnungen, die ferngesteuerten Raumkapseln ähneln, Wohnzimmern, die Spielkonsolen, Schlafzimmern, die Rechenzentren gleichen: Deaktivieren! Schrauben Sie die Module aus dem Elektrohirn. Lassen Sie sich nicht erweichen, wenn es in Todesangst um sein Leben fleht: »I’m afraid. My mind is going. I can feel it.« Alles nur Emotion-Ambient-Programm, Modul »Götterdämmerungs-Szenario«.