Der Tod, das muss bekanntlich ein Wiener sein. Deshalb steht ein spilleriges Skelett, drapiert mit Hochzeitsschleier und Zylinderhut, zur Verlobung zwischen den Brautleuten Marianne und Oskar. Aber das Herz des Mädchens aus der Vorstadt gehört dem Hallodri und Schluri Alfred. Der eine wie der andere bringt ihr nur Leid und Pein, so dass sie am Ende von Horváths Volksstück »nicht mehr kann« und als Gebrochene, um Glaube, Liebe, Hoffnung Gebrachte in ihre Ehehölle mit dem Fleischer Oskar geht. In Klaus Weises Inszenierung der »Geschichten aus dem Wienerwald« aber spricht der Tod vielmehr Englisch und gehört ins Amerika der Mythen, wo Blues-Cowboys in »Lonesome Town« schmachten und Fools for love in Neonlicht tauchen, als wär’s ein Stück von Sam Shepard.
Dorothea Wimmer hat in die Schauspielhalle Beuel eine Panorama-Box mit Billardcafé und Erotikkino (erster Stock), Metzgerei, Elendsquartier, Kramladen und Kiosk (Parterre) gebaut. Horváths eigener Bezirk verschiebt sich in einen völlig anderen (darum aber nicht Kenntlichkeit erzeugenden oder fördernden) Kultur- und Zeitraum. Irgendwie unspezifische Achtziger. Pulp-Fiction-Milieu. Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen sind aus dem präfaschistisch Kleinbürgerlichen in ein ominöses Prekariat herabgesetzt. Einmal trägt die Gruppe Horrormasken wie zu Halloween. So bedienen sie nur plump ein Klischee, führen ihren Charakter spazieren wie ein getrimmtes Hündchen und haben sich als Figuren gleich erledigt. Keine Zeit zum Staunen.
Mariannes Vater, der Puppenklinikdoktor und Zauberkönig, deklassiert sich zum schmierig zotteligen Proll und Alki, die Trafikantin Valerie (Nina V. Vodop’yanova) zerläuft zur vulgär Sentimentalen, das Halbwelt-Varieté, in dem Marianne sich verdingt, verludert zur Peep-Show, in der sie wie Irina Palm den Kunden zur Hand geht und auch den Papa bedient.
Horváth aber ist ein viel größerer Extremist, als Klaus Weise wahr haben will. Der leicht zu kränkende Dramatiker wird in ein – scheinbar sozial exakt markiertes – Phantasiereich des Schlüpfrigen vertrieben und behangen mit nutzlosem Gewicht, Begleitmaßnahmen und Zitat-Krempel, dass er sich ganz wegduckt vor uns. Wäre da nicht Marianne, die Anastasia Gubareva wie ein Gör, das zum Hinkeln tollt und Seifenblasen pustet, luftig, gerad’ heraus und klar spielt. Wäre da nicht Alfreds Großmutter, die Tanja von Oertzen mit magerer Würde, fast verschwindend unter Hut und Mantel und sozusagen auf ihre Essenz geschrumpft, zum greisen Kindskopf des Bösen macht. Aber auch hier, in den Szenen in der Wachau, gibt die Regie Schmackes und lässt pathetisch die Flagge des Fatums hissen. Da hat sich Horváth längst aus dem Staub gemacht.