TEXT ANDREAS WILINK
Eine lebenslange Freundschaft, deren intime Kenntnis des Anderen auch Spiegel des eigenen Selbst ist, Liebe ebenso wie Abneigung bedeutet, wenn nicht gar Hass hervorruft. Der Künstler als Steigerung des Menschen, um eine Idee des 19. Jahrhunderts aufzunehmen, die deshalb nicht falsch sein muss, erfährt sich und die Welt schärfer, unmittelbarer, intensiver. Aus der Wiederbegegnung der beiden gealterten Freunde Emile Zola und Paul Cézanne erzählt sich hier ihre Geschichte; sie beginnt während des zweiten Kaiserreichs für die 13-jährigen Gymnasiasten in Aix-en-Provence, wohin es sie immer wieder zog – die Bewegung von Anziehung und Abstoßung wird auch Zolas und Cézannes Verhältnis prägen. Ebenso wie die Natur: Cézanne sucht lebenslang ihre Darstellung im Licht der Provence und des Mont Sainte Victoire, Zola deren Gewalt im Triebverhalten des Menschen.
»Die Unzertrennlichen« gehen nach Paris, begegnen Renoir, Manet, Degas und Pissarro, die alle keine »Malerei im Sonntagsstaat« wollen, sondern die es ins Freie zieht: »au plein air«. Die aufbegehren gegen die etablierte und dekorative Salon-Kunst. Zola, anfangs Hungerleider, arbeitet als Journalist und macht bald als Autor sozialkritischer Romane Skandal und Karriere.
Cézanne, der Bankierssohn, der mit dem bürgerlichen Milieu bricht, der provokant ist, laut und schroff, bleibt Erfolg versagt. »Der Zurückgewiesene« ist verächtlich gegenüber allen und allem und im steten Kampf um die Selbstachtung. Zola wird mit den Jahren äußerlich behäbig, hat sich situiert und residiert angemessen, während der Geist radikal bleibt, wofür nicht zuletzt sein »J’accuse« gegen das Urteil im Dreyfus-Prozess steht. Bürger und Anti-Bürger in einer Person. In einem stillen Moment sagt Cézanne zu Zola, dem Verfasser von »Nana« und »Germinal«: »Ich möchte so malen, wie Du schreibst.« Als Zola sein autobiografisches »Werk« veröffentlicht, das lügt und dabei die Wahrheit sagt, fühlt sich Cézanne vom »Voyeur« seines Lebens verraten und ausgebeutet, verkannt und erkannt.
Die Ambivalenzen ihrer Beziehung – ganz besonders auch im nicht wenig komplizierten Verhältnis zu den Frauen ihres Lebens – stellen die Regisseurin Danièle Thompson und ihre Hauptdarsteller Guillaume Canet (Zola) und Guillaume Gallienne (Cézanne) sehr genau und psychologisch fein austariert dar. Im Film spricht Zola, in Frankreich und Europa nun eine Institution, am Ende von Cézanne als von einem »gescheiterten Genie«, was der Gemeinte unbemerkt hört, um tief getroffen davonzugehen. Beide »lieben Götter« der Literatur und der Malerei, sind Väter der Moderne, die höchstens der Abstand von 100 Jahren weniger radikal aussehen lässt.
»Meine Zeit mit Cézanne«; Regie: Danièle Thompson; F 2016, 113 Min; Start: 6. Oktober 2016.