Text Andreas Wilink
Das Haus in einem Villenviertel von Kopenhagen mit 450 Quadratmetern, eine Millionen-Immobilie, hat Erik geerbt von seinem Vater. Hier ist er aufgewachsen. Für ihn, seine Frau Anna und die 14-jährige Freja ist es viel zu groß. Weil wir in den siebziger Jahren sind, liegt der Gedanke einer Kommune nahe. Ein Projekt gegen Langeweile und bürgerliches Behagen. Und Anna wollte schon immer mit Ole zusammen wohnen, der mit linker Literatur das dunkelste Zimmer belegt und einen ausgeprägten Ordnungssinn hat – was rumliegt, wird verbrannt.
Des weiteren ziehen Steffen und Ditte mit dem kleinen herzkranken Vilads (»Ich werde nur neun«) ein, dann Mona, schließlich Allon. Man macht beim Notar einen Vertrag über den Mitbesitz, gibt sich Regeln, bestimmt einen hohen Mietpreis, isst, trinkt, kifft und feiert zusammen und springt auch mal in kollektiver Nacktheit ins Wasser. Und was nun, jenseits regelmäßiger »Wie geht-es-uns«-Rituale? Das Leben läuft einfach weiter – Thomas Vinterberg interessiert sich weniger für »Die Kommune« (über deren meisten Mitglieder wir kaum etwas erfahren), als für die Kernfamilie. Erik, Anna und Freja, deren prüfend beobachtender Blick gewissermaßen die Außenperspektive darstellt und die am Ende als Nestflüchtling fortgeht, man könnte auch sagen: sich rettet aus dem diffus gefühligen Schlamassel und sich nimmt, was sie braucht.
Der Ärger beginnt, als Erik (Ulrich Thomsen), Dozent für Architektur, mit der sehr jungen Studentin Emma (Helene Reingaard Neumann) mehr als nur eine Affäre anfängt. Als er davon Anna erzählt (Trine Dyrholm, zu Recht mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet), ist sie bereit, eine ménage à trois hinzunehmen, um ihn nur nicht zu verlieren. Nachdem Erik für kurze Zeit ausgezogen war, schlägt Anna vor, auch Emma solle ins Haus kommen. Mehr Selbstverleugnung und Verzweiflung als das Praktizieren freier Lebensformen.
Anna, politische TV-Moderatorin, gerät in eine schwere Krise, scheitert vor der Kamera, nimmt Tabletten und Alkohol. Tür an Tür mit dem neuen glücklichen Paar – das kann sie nicht aushalten. Die Mitbewohner sind dabei wenig mehr als Statisten in einem Familiendrama, in dem kein Raum für Befreiung bleibt. Außer man lässt die Bindung hinter sich und löst sich ab. Oder man stirbt – wie Vilads. Eine Utopie, die gar nicht erst der Gruppen-Prüfung unterzogen wurde, endet mit Tod und Flucht. »Es gibt keine Vision vom Zusammenleben der Menschen«, lehrt in seinem Seminar Erik – das gilt hier nicht bloß fürs Bauen und Wohnen. Vinterberg, der Regisseur von »Das Fest«, bleibt sich treu.
»Die Kommune«; Regie: Thomas Vinterberg; Dänemark 2015; 111 Min.; Start: 21. April 2016.