Die Bilder blubbern. Sie kommen aus dem Bauch. Im Doppelsinn. Emotionen schürende Aufnahmen wie aus dem frühen »Dogma«- Kino vom werdenden Leben im Mutterleib der Astrid Lorenz: Fötus-Fantasien. Mythen-Material. Die gefeierte Kabarettistin mit emanzipatorisch powervollen, pointensicheren Auftritten in »Ladies Night« und einer steilen Solo-Karriere ist zum zweiten Mal schwanger. Sie und ihr Freund und Manager Markus (Bjarne Mädel) haben bereits eine kleine Tochter, Nele. Das nächste Kind wird ein Junge. Das Familienidyll und die Normalität im Grünen außerhalb von Leipzig, vorgeführt in Amateur-Wackelbildern und bei privaten Momenten (der eheähnliche Sex wird von Nele gestört), setzt den Rahmen. Das ist zunächst alles ziemlich angestrengt und aufgesetzt. Und sieht aus wie ein Kleines Fernsehspiel. Dann kommt die Diagnose. Das noch Ungeborene hat das Down-Syndrom (Trisomie 21). Die öffentliche Frau (Julia Jentsch), gewohnt und geübt darin, bissig, laut, lustig und perfekt zu sein, erfährt eine existenzielle Erschütterung und gewiss auch eine Ich-Kränkung.
Wie reagiert man angemessen? Das Paar macht sich kundig, besucht eine Chorgruppe mit »Downies«, integriert Astrids Mutter (Johanna Gastdorf), handelt offensiv (»Wir lieben Stress«), bewältigt Probleme, informiert den Freundeskreis – und will das Kind. Bis die zweite Nachricht erfolgt – die Ärzte übrigens werden dargestellt von Profi-Medizinern, deren Sachlichkeit einem manchmal unbehaglich wird. Dass der Film »24 Wochen« die zweite Hiobsbotschaft nachschiebt, hat wohl eher dramaturgische Gründe: Ein Herzfehler, Operationen und Intensiv-Medizin würden das Leben des Kindes nachhaltig erschweren. Astrids Besuch auf einer Frühchen-Station nährt eher Zweifel.
Anne Zohra Berracheds gut recherchierter Film konzentriert und begradigt sich nun, entwickelt Psycho-Dynamik, Intensität, Konfliktschärfe, moralische Bewusstseins-Tiefe (wobei es mit der saloppen Phrase »das christliche Schuld-Ding« nicht abgetan ist). Astrid muss Wohl und Wehe abwägen, sie allein – was die Beziehung zu Markus belastet. Und ihre berufliche Zukunft betrifft. Bei einem Gastauftritt in Dieter Nuhrs Sendung versagt ihr die Stimme, sie bricht ab. Nichts mehr ist Routine.
In einer beiläufigen Szene, als sie sich schon gegen das Kind und für den späten (legalen) Schwangerschaftsabbruch entschieden hat, gibt Astrid im Klinik-Warteraum aus ihrer Plastikflasche einem Blümchen in der Vase Wasser … lebensspendend. Am Ende, nachdem das Sieben-Monats-Kind mit einer Spritze getötet und durch künstlich herbeigeführte Wehen auf die Welt gebracht wurde, kommt man nicht umhin, den Schlusssatz aus Ingeborg Bachmanns »Malina« aufzurufen: »Es war Mord.« Mildernde Umstände eingerechnet.
»24 Wochen«; Regie: Anne Zohra Berrached; D 2016; 103 Min.; Start: 22. September 2016.