TEXT: ANDREAS WILINK
Fast so etwas wie eine Jungbrunnen-Kur hat sich der 80-jährige Robert Ciulli verordnet. Quasi una Fantasia: Ciulli lässt die Fabel vom »Wintermärchen« nahezu unbeachtet oder gibt sie nur als Kasperlespiel weiter, mischt die Zeiten und doppelt die Figuren – Frau und Mann, jung und alt, Mensch und Tier, Kind und Große.
Kein König regiert im Theater an der Ruhr, sondern ein Clan, der eine sizilianische Vesper abhält. Mafia-Milieu, ein Wächter sitzt mit geladenem Gewehr; Leontes (Volker Roos), der eifersüchtige Herrscher, der Frau und Kind und den Freund aus Böhmen verstößt, ist müde und schon zu Anfang ein Büßer in seiner spartanischen Zelle, der sich an einer hölzernen Tafel von seinem Haushälter Café, Rotwein und Spaghetti servieren und den lebensgroß »echten« Balg seiner Frau vorführen lässt, wie der lebensmüde Amfortas den Gral – Mahnmal seiner Schuld. Jemand legt eine Canzone auf; Tomaten werden geschält, Zwiebeln geschnitten, Rosmarin beschnuppert. Hermione liegt als Puppenwesen aufgebahrt und gerät eckig in Bewegung. Der Tod spielt Akkordeon.
Jeder Gang, jede Geste hat mehr Gewicht als ein paar Seiten Shakespeare-Text, der aufs Minimum reduziert ist. Unter Maske und Schminke taugt alles zum hermetisch offenen Lust-Spiel, doch ohne gutes Ende und glückende Paar-Zusammenführung. Kein Drama mehr, nur noch Kunststücke und freie Dressurakte gezähmter Artisten und Kintopp-Kreaturen im Shakespeare-Varieté. Höchstens, dass sich die Vorstellungs- und Verstellungs-Enthusiasten, die abgesehen von Dagmar Geppert als Hermione / Perdita schon lange in der Ciulli-Manege auftreten, es sich in der Ciulli-Mythologie der Drôlerie etwas zu bequem eingerichtet haben.