Fanfaren, Tusch, Applaus – daran sind sie gewöhnt. Wer Teil einer Zirkusfamilie ist, braucht die Anerkennung des Publikums aber nicht nur für das eigene Ego. Sondern auch für den eigenen Broterwerb. Tausende Kulturschaffende finden gerade durch die Corona-Pandemie keine Bühne mehr – und nicht zuletzt auch sie, die sie doch eigentlich immer dabei hätten.
Ein Leben im Zirkus ist schon immer ein Leben ohne Netz und doppelten Boden. Schätzungsweise 300 Zirkusse gibt es noch in Deutschland – Tendenz sinkend. Dabei sind Zirkusfamilien moderne Nomaden mit einer langen Tradition: Die der Familie Fischer reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Und geht doch vielleicht bald zu Ende. Denn keines der zwölf Kinder von August Bügler und Karin Fischer will ihn übernehmen, den »Zirkus Starlight«, den die Fotografin Petra Arnold zwölf Jahre lang dokumentiert hat. Analog, in schwarz-weiß und durch die weiche Körnigkeit ihrer Printabzüge scheinbar ein Stück weit entrückt: Da jongliert der kleine Giovanni einen Plastikteller mit derart feierlichem Ernst, dass er kaum noch wie ein Kind wirkt.
Da schauen die Töchter als kleine Mädchen und später als Mütter in Gegenüberstellungen mit zehn Jahren Abstand in die Kamera. Da lösen sich Freizeit und Arbeit im Miteinander zwischen glitzernden Pailletten und schmutzigem Geschirr, zwischen bissigen Schlangen und flauschigen Ponys auf. Und da posiert Karin Fischer auf einem Bild, hält ein Foto in die Kamera, das sie vor zehn Jahren schon einmal von sich als ganz junge Frau zeigte. Die so dreifach dargestellte Zirkuschefin hat im Laufe der Jahre dabei aber scheinbar nur einen, nicht mehrere Zeitsprünge gemacht. Von einer jungen zu einer mittelalten Frau, die über die Jahre nur noch würdevoller geworden ist. Und die tragende Säule in einem Zirkusbetrieb geblieben, der sich noch eine Handvoll Gastartisten, aber nicht mehr den ganz großen Fuhrpark oder viele exotische Tiere leisten kann oder will. Das ernsthafte Einstudieren von Kunststücken, das gegenseitige Schminken, die Nähe zu den Tieren – das alles steht im Kontrast zu bombastischen Dinner-Shows oder aufwändigen Varieté-Formaten, die heute noch die Zelte füllen.
Petra Arnold blickt nicht in die Manege, sondern dahinter. Zeigt die Innensicht einer Familie, die sich verändert, blickt mit Herzenswärme auf ein Milieu, das sich über Jahrhunderte geprägt hat, nun aber in nur wenigen Jahren immer weiter auflösen wird. Durch Corona wohl leider noch ein bisschen schneller als gedacht.
Petra Arnold: Beyond Starlight, 160 Seiten, DCV Verlag, 39,90 Euro