INTERVIEW: ULRICH DEUTER
K.WEST: Der Entwurf von OB und Kämmerer für den Haushalt der Stadt Essen 2010/2011, der derzeit zur Beratung ansteht, sieht dermaßen rigide Einsparungen für die Theater und Philharmonie (TuP) vor, dass Sie, Herr Bomheuer, bereits vor der Schließung einer Sparte gewarnt haben, sollte der Ansatz beschlossen werden. Gespart werden muss, auch in der Kultur. Nun scheint es aber, dass Sie einen Weg gefunden haben, woanders zu sparen, als es bisher üblich war, nämlich nicht vorrangig im künstlerischen Bereich.
BOMHEUER: Tatsächlich würde die städtische Zuschusskürzung in Höhe von knapp einer Million Euro in diesem, rund 3,6 Millionen im nächsten, 5,3 Millionen im übernächstes Jahr und 7,0 Millionen in 2013, wie sie der Ansatz vorsieht, einen erheblichen Einnahmeverlust für die TuP bedeuten. Jedes mittelständische Unternehmen, und die TuP GmbH ist dem Umsatz nach eines, wird bei solchen Verlusten versuchen, die Kosten zu senken, um nicht Insolvenz anmelden zu müssen. Deshalb habe ich vor der Schließung einer Sparte nicht nur gewarnt, sondern betont: Sie ist eine Option. Nämlich wenn diese Konsolidierungslinie nicht aufgefangen werden kann. Das hat nichts damit zu tun, dass ich es nicht richtig und wichtig finde, dass die siebtgrößte Stadt der Republik ein Fünfspartenhaus hat. Im Gegenteil.
K.WEST: Spartenschließung bedeutet Sparen im künstlerischen Bereich. Wie sieht aber die Alternative dazu aus?
BOMHEUER: Betrachten wir eine Theaterveranstaltung einmal aus betriebswirtschaftlicher Sicht. Neben den Kosten, die diese Veranstaltung an einem Abend verursacht, tragen die Theater auch produktionsunabhängige Kosten. Die bestehen neben der Werkstattausstattung vor allem durch das Vorhalten der Gebäude. Die drei Gebäude, in denen die TuP GmbH spielt, die Aalto-Oper, die Philharmonie und das Schauspiel im Grillo, kosten Geld, ob gespielt wird oder nicht. Hier ist es sinnvoll, sich diese fixen Kosten anzusehen und zu fragen, ob sie nicht durch kluge Veränderungen von Strukturen oder neue Formen der Zusammenarbeit gesenkt werden können. Denn das sind die großen Kostenblöcke der Theaterbetriebe. Die Dezernenten der fünf großen Städte im Ruhrgebiet – Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Oberhausen und Essen – haben in einem offenen Brief vom Land eine höhere Beteiligung an den Theaterkosten gefordert. Gleichzeitig aber auch die Kommunen aufgerufen, sich einem zukunftsorientierten Reformprozess zu unterwerfen. Seit langem wird vorgeschlagen, zuletzt vom Düsseldorfer Regierungspräsidenten, Herrn Büssow, die Bühnen sollten kooperieren oder gar fusionieren. Wir sagen nun: Gehen wir diese Kooperation doch mal an und gucken, wie wir die fixen Kosten senken können mit dem Ziel, die kulturelle Vielfalt und Qualität der Institute im Ruhrgebiet zu erhalten.
K.WEST: Und was haben Sie nun vor?
BOMHEUER: Zunächst einmal: Allen bisherigen Vorschläge ist gemeinsam, dass sie ohne fundierte Kenntnis der Daten und Sachlagen geäußert wurden. Wir halten es daher für sinnvoll, eine Studie in Auftrag zu geben, die die gemeinsamen und unterschiedlichen Strukturen der Institute einerseits aufzeigt und andererseits ermittelt, ob überhaupt und wenn ja wo und wie Kooperationen dieser Institute im Ruhrgebiet sinnvoll, machbar und vor allem auch »ertragreich« wären. Eine solche Untersuchung existiert bislang nicht. Dabei geht es nicht um bereits differenziertes Zahlenmaterial. Vielmehr geht es zunächst einmal um die Ermittlung, wo überhaupt Potenziale vermutet werden können. Diese Informationen braucht man übrigens auch, wenn man Theater fusionieren will. Nur wenn Theater geschlossen werden, braucht man sie nicht.
K.WEST: Erscheint da am Horizont ein neues Modell für das Bewirtschaften von Theatern im Ruhrgebiet?
BOMHEUER: Nein, es erscheint noch kein neues Modell. Sondern es erscheinen Fragen. Und die lauten: Auf welche Weise kann eine Bühne mit anderen Bühnen zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Wenn ich für eine Produktion drei Meter Seidenstoff brauche, dann kaufe ich den zum Preis x. Bei der Vielzahl von Theatern aber könnte es durchaus den Bedarf von 100 Metern geben. Größere Mengen aber bekomme ich in der Regel billiger. Das kann ich durchdeklinieren auf Glühbirnen und Wandfarbe, aber auch auf Dienstleistungen.
K.WEST: Das klingt nach Fusion der Werkstätten.
BOMHEUER: Die Werkstätten sind ein spezielles Thema. Fachkundige beteuern, dass Werkstätten in oder doch sehr nah bei den Theatern sein müssen, das erfordert die künstlerische Gestaltung. Den Sinn einer Zusammenlegung von Werkstätten kann ich derzeit aus logistischen Gründen nicht sehen, wohl aber eine Zusammenarbeit. Doch wie gesagt, für derartige Überlegungen sind zunächst einmal die erforderlichen Informationen zu ermitteln.
K.WEST: Die Fusion von Gebäuden ist auch schwer vorstellbar.
BOMHEUER: Aber vielleicht bringen die erhobenen Informationen hervor, dass die nähere Betrachtung einer gemeinsamen Verwaltung oder Bewirtschaftung kostensenkende Effekte haben kann. Beispielsweise eine gemeinsame Ausschreibung von Wartungs- und Reparaturleistungen bei Klempnerarbeiten, Elektroarbeiten, Reinigungsarbeiten, Wachpersonal usw. – Dinge also, die nicht mit der künstlerischen Produktion zu tun haben, sondern mit den Häusern. Da kann jedes Haus wie bisher im Einzelfall eine Firma beauftragen. Ich kann mir aber auch vorstellen, für drei Jahre einen Lieferantenvertrag zu verhandelten Stundensätzen für mehrere Häuser abzuschließen. Doch ich bin kein Betriebswirt. Ich stelle derzeit lediglich Fragen. Und diese Fragen möchte ich beantwortet wissen.
K.WEST: Was stünde als Optimum am Horizont?
BOMHEUER: Wir haben in Essen uns mal angesehen, welche Effekte wir erzielen könnten, wenn die Gebäude der großen Kulturinstitute aus einer Hand bewirtschaftet würden, und dabei ein Kostensenkungspotenzial von rund zehn Prozent ermittelt.
K.WEST: Nun also eine Studie, um zu ermitteln, ob man interkommunal gemeinsam preiswerter wirtschaften kann. Wer führt sie durch, wer bezahlt sie?
BOMHEUER: Das Kultursekretariat NRW in Wuppertal, das Sekretariat der theatertragenden Städte, hat sich bereits bereit erklärt, einen Kostenanteil einer solchen ersten Studie zu tragen. Natürlich müssen auch die Städte, die davon profitieren, ihren Obolus leisten. Und es liegt auch im Interesse des Landes NRW, gerade im Jahr 2010, in dem die Region den Titel Kulturhauptstadt Europas trägt, die Vielfalt und die Qualität der Kulturlandschaft im Ruhrgebiet nachhaltig zu sichern. Insofern erwarten wir auch eine Beteiligung des Landes. Im Übrigen habe ich kürzlich auch mit Mitgliedern des Kulturausschusses des Europäischen Parlaments gesprochen und bin zuversichtlich, dass wir für eine erste Kooperationsphase – sollten die ersten Prüfungen dies für sinnvoll erachten – auch eine Unterstützung über Infrastrukturprogramme bekommen könnten. Zumindest lohnt sich eine Prüfung.
K.WEST: In welchem Zeitrahmen soll die Studie Ergebnisse vorzeigen?
BOMHEUER: Wir müssen den Rückenwind der Kulturhauptstadt nutzen, die uns ja schließlich den Auftrag zur Nachhaltigkeit gibt. Also wäre es gut, im Spätherbst erste Ergebnisse und ein Gespür für die Potenziale zu bekommen.
K.WEST: Nehmen wir einmal an, alles geht glatt in die von Ihnen gewünschte Richtung. Wären danach weitere Schritte der Kooperation vorstellbar?
BOMHEUER: Ich bin zuversichtlich, dass über eine solche erste Kooperation die Kulturinstitutionen der Städte noch enger als bisher zusammenwachsen können, ohne ihre Eigenarten aufzugeben. Im operativen Geschäft der Kulturinstitute könnte der nächste Schritt eine ständige Konferenz mit wechselndem Vorsitz sein. In einem solchen Kreis könnte ein regionales Kommunikations- und Marketingmanagement entwickelt werden. Oder es können Absprachen über Koproduktionen getroffen werden, oder auch gemeinsam organisierte Gastspiele großer Orchester, die dann nicht an einem, sondern hintereinander an drei Orten spielen. Auch das spart Kosten. Doch dies sind alles Vorschläge, die in den Häusern selbst bereits gedacht werden, ich will da nicht Eulen nach Athen tragen. Aber sie zeigen, da ist so viel möglich, ohne dass man irgendeine Intendanz opfern muss.