TEXT: ANDREAS WILINK
Über den siebten Satz von Beethovens Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131 schrieb Richard Wagner: »Das ist der Tanz der Welt selbst: wilde Lust, schmerzliche Klage, Liebesentzücken, höchste Wonne, Jammer, Rasen, Wollust und Leid; da zuckt es wie Blitze, Wetter grollen: und über allem der ungeheuere Spielmann, der alles zwingt und bannt, stolz und sicher vom Wirbel zum Strudel, zum Abgrund geleitet: – er lächelt über sich selbst, da ihm dieses Zaubern doch nur ein Spiel war. – So winkt ihm die Nacht. Sein Tag ist vollbracht.«
Mit diesem Tristan-Wort von Tag und Nacht hätte sich Peter Mitchell auch bedanken und abtreten können. Er tut es schlichter während des letzten Konzerts, das er mit seinem Kammerquartett »The Fugue« in New York spielt, dessen Winter von Manhattan einen glücklich sein lässt wie sonst nur in den Filmen von Woody Allen. Die drei Männer und die Frau geben Opus 131, Beethovens letztes Streichquartett, das sich Schubert fünf Tage vor seinem Tod vorspielen ließ. Im letzten Satz bricht Mitchell ab, der an Parkinson leidet, und gibt seinen Stuhl frei für die Nachfolgerin am Cello. Ovationen.
25 Jahre und 3000 Konzerte haben sie gemeinsam gespielt: der viel ältere Mitchell (Christopher Walken), Juliette Gelbart (Catherine Keener) an der Bratsche, mit deren Mutter Peter bereits musiziert hatte; Juliettes Mann Robert (Philip Seymour Hoffman) und Daniel Lerner (Mark Ivanir), die erste Violine. Es ist ein Künstlerfilm, den Yaron Zilberman in gediegen bildungsbürgerlicher Absicht gedreht hat. Muss kein Nachteil sein. Es sind vier wunderbare Schauspieler, wunderschöne Musik, geschmackvolle Interieurs (siehe Woody Allen – in Mitchells / Walkens Wohnung möchte man sofort einziehen). Dass es ein paar zu viele Probleme und Konflikte gibt, die eher sinfonisch orchestriert statt kammermusikalisch komponiert sind, nun gut. Zu der Erkrankung Mitchells kommt, dass Robert eine Affäre hat, weshalb Juliette ihn rauswirft, dass Daniel eine Beziehung mit Alexandra beginnt, die er an der Geige unterrichtet – sie ist die Tochter von Juliette und Robert; und dass Robert und Daniel buchstäblich darum streiten, wer die erste Geige spielt. Es geht also um Autorität, Eifersucht, Abhängigkeit, Begehren … Alles enthalten und aufgelöst in Beethovens großem Quartett (siehe oben bei Richard Wagner). Außerdem spielt Wallace Shawn mit, und Anne Sofie von Otter singt Korngolds »Marietta’s Lied«. Zwei Gründe mehr, den Film zu mögen.
»Saiten des Lebens«; Regie: Yaron Zilberman; Darsteller: Christopher Walken, Philip Seymour Hoffman, Catherine Keener, Mark Ivanir; 104 Min.; USA 2012; Start 2. Mai 2013.