Die Spuren des in Dormagen zwischen Düsseldorf und Köln liegenden Klosters Knechtsteden lassen sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen. Im Laufe der Zeit haben politische Unwetter und heftige Brände es nicht immer gut mit der Anlage gemeint. Immerhin, die Kloster-Basilika hat den Unbilden getrotzt. Und gilt als eines der bedeutendsten romanischen Bauwerke im Rheinland. Dank ihrer fantastischen Akustik kann man sich in ihr musikalischen Weltwunderwerken hingeben. Dazu zählt seit einer halben Ewigkeit auch die vierzigstimmige Chormotette»Spem in alium« des englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis, der mit den im Raum verteilten acht Chören einen bis dahin ungekannten Allround-Sound inszeniert hatte.
Im Rahmen des diesjährigen, wieder in der Basilika des Klosters Knechtsteden veranstalteten Alte-Musik-Festivals bringt das englische Topvokal-Ensemble The Marian Consort den epochalen Wurf nebst weiteren Werken, auch von William Byrd, zur Aufführung. Inmitten des die Sinne und den Geist anregenden Klangraums wird womöglich auch der Festivalgründer und künstlerische Leiter Hermann Max Platz nehmen und wie das Publikum ins Staunen geraten. Zum 25. Mal findet dank Max ein Festival statt, das sich die hohe Kunst der historischen Aufführungspraxis auf nahezu allen musikalischen Gebieten zum Ziel setzt.
Ob A-cappella-Werke, ein Oratorium von Georg Philipp Telemann oder Lieder von Mendelssohn, die mit indischen Ragas kombiniert werden: Auch im Jubiläumsjahr setzt das Programm auf Überraschungen, Raritäten und neue Akzente im Alte-Musik-Betrieb.Neugierde ist ein Kennzeichen des studierten Kirchenmusikers, Kunstgeschichtlers und Archäologen. In seiner Funktion als Ensemblegründer und -leiter hat Max schon früh Schätze aus dem 17. und 18. Jahrhundert gehoben. Mit der »Jugendkantorei Dormagen«, die 1985 in »Rheinische Kantorei« umgetauft wurde, sowie mit dem Barockorchester »Das Kleine Konzert« konzentrierte er sich zunächst auf die mitteldeutsche Barockmusik. Nicht zuletzt die Wiederbelebung der geistlichen Musik aus dem Bach-Umfeld zählt zu seinen Verdiensten. Es mache ihm Spaß und interessiere ihn, »gerade da auf die Suche zu gehen, wo sich bislang noch keiner oder nur wenige hingewagt haben«.
Diese Ambition von Hermann Max, der mit Schallplattenpreisen, Ehrungen und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, spiegelt sich auch in der aktuellen Festival-Saison wider.Da erklingen mit Monteverdis »Marienvesper« und Rossinis »Petite Messe solennelle« zwei völlig gegensätzliche Meisterwerke der geistlichen Musik, u.a. mit der engelsgleichen Sopranstimme von Dorothee Mields. Max dirigiert Bachs humorvolle, leicht opernhafte Vertonung vom »Zufriedengestellten Aeolus«. Telemanns lautmalerisch effektvoll eingefangene »Tageszeiten« kombiniert er mit zeitgenössischen Werken der Engländerin Rebecca Saunders. Schon jetzt blickt das deutsche Renaissance- und Barockensemble Capella de la Torre ins Luther-Jahr 2017.
Auf Blasinstrumenten wie Schalmei, Pommer und Posaune erinnert die Formation an die Hochzeitsfeier Luthers im Jahr 1525. Die Ehe mit Katharina von Bora sollte sich günstig auf den impulsiven Reformator auswirken, wie Erasmus von Rotterdam beglaubigte: »Luther fängt jetzt an, milder zu werden, und wütet nicht mehr so mit der Schreibfeder; nichts ist so wild, dass es nicht beim Weibchen zahm würde.«
17. bis 25. September 2016, Kloster Knechtsteden; www.knechtsteden.com