Herrlich, dieser Verkehrslärm! Ein unentwegtes Rauschen drängt von der Essener Autobahn hinauf. Und die Passanten darüber? Haben es sich auf weißen Liegen gemütlich gemacht. Es ist Sommer 2021 und im Laufe der nächsten Tage werden diese Möbel an der »Freiheit« noch so vieles sein: Sitzgelegenheiten für A-40-Bingo. Eine Bühne für »Kurkonzerte«. Aktionsflächen für Spinningrunden auf aufgebockten Rennrädern. Oder der Abschluss für einen Zen-Kur-Garten aus feinstem Kieselsteinen. Säuberlich geharkt.
»Zur schönen Freiheit – der Kurort über der A 40« hatten Julia Rautenhaus, Meriel Brütting, Kai Behrendt und Ivo Schneider ihre Installation auf dem Fußgängerüberweg hinter dem Essener Hauptbahnhof im Juni und Juli 2021 genannt. Und sich selbst einen denkwürdigen Namen als Künstler*innengruppe gegeben: Als »Kurort Kuratorium« wollten sie nichts weniger als Kuranwendungen in Kunst und damit gleich den öffentlichen Raum verwandeln. Angelehnt an die Tradition deutscher Kurorte des 19. Jahrhunderts, sollte die Essener »Freiheit« für einige Zeit zu einem Entspannungs- und Naherholungsort werden. Dafür nutzten die Vier ihre Erfahrungen aus der Bildenden Kunst, aus der Performance Art, Szenografie und Kunstvermittlung. Und schufen eine künstlerische Intervention, die kostenlos, niedrigschwellig und rund um die Uhr zugänglich war und täglich ein Programm aus Konzerten und Performances, Lesungen und Gesprächsrunden, Yoga und QuiGong bot.
»Wir wollten einen anderen Umgang mit der Stadt zeigen und ihre Un-Orte umdeuten«, sagt Julia Rautenhaus in der Rückschau auf damals, die auf Theaterprojekte im öffentlichen Raum spezialisiert ist. Außerhalb der Bühnenhäuser seien die Reaktionen der Menschen auf das Gezeigte roh vielleicht, aber auch spontan – gut, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Über Stadt und unseren Umgang mit ihr. Und ein Stück weit auch über uns selbst.
Mit Kunst das Umfeld heilen
Das Wort »Kur« stammt schließlich vom lateinischen »cura« ab – was so viel wie Pflege oder Sorge heißt: »So sind wir auf die Frage gekommen, ob und wie Kunst nicht nur uns heilen kann, sondern auch unser Umfeld«, sagt die freie Theatermacherin Meriel Brütting. Beim Zeit.Raum.Ruhr Festival im Herbst 2022 hatte das »Kurort Kuratorium« zuletzt ein »Klang-Bad« für Passanten entworfen und die Musiker*innen Emily Wittbrodt und Florian Walter beauftragt, eigene Stücke zu entwickeln – aus seismographischen Messungen der A 40, A 42 und A 52. Per Kopfhörer gab es so »Vibrations-Emissionen« als »Entspannungskur« auf die Ohren. Oder anders ausgedrückt: Das Rauschen der Autobahn als kontemplatives Klangerlebnis.
Im April soll es nun mit einem »Kurlabor« in die nächste Runde gehen: Das »Kurort Kuratorium« plant, eine mobile Plattform aus Aluminiumgestängen zu bauen, mit dem es an verschiedene Orte ziehen und dort verschiedene »Kuranwendungen« anbieten will. Los geht es in einer Düsseldorfer Autowerkstatt in der Erkrather Straße 365 am 15. und 16. April. Zwei Wochen später werden dann Orte im öffentlichen Raum des Ruhrgebiets angesteuert – für ästhetische Heilprozesse: Kunst im öffentlichen Raum für alle Sinne. Für Augen und Ohren – und wohl auch fürs Herz.
Nächste »Kurlabore«:
15. April, Düsseldorf
29. und 30. April, in Essen und/oder umliegenden Städten des Ruhrgebiets
Genaue Infos werden kurzfristig über den Instagram-Kanal mitgeteilt:
@KurortKuratorium