41,5 Millionen Euro hatte Berlin vor drei Jahren für ein nationales Fotozentrum in der NRW-Landeshauptstadt am Rhein genehmigt. Dort sollen Nachlässe verwahrt, der Erhalt und die Restaurierung des fotografischen Erbes sowie künftige Techniken im Analogen und Digitalen erforscht werden – und Ausstellungen soll es dazu auch geben. Einzige Bedingung: Das Land müsse sich mit der gleichen Summe beteiligen. Dem stimmte der Landtag kurz darauf zu, anschließend stellte der Rat der Stadt Düsseldorf ein prominent gelegenes Grundstück am Hofgarten zur Verfügung, in unmittelbarer Nähe zu Kunstpalast und NRW Forum. Damit sollten detaillierte Planungen für Betrieb und Gebäude beginnen – doch die gibt es bis heute nicht.
Die innerhalb der Bundesregierung für die Umsetzung verantwortliche Kulturstaatsministerin im Kanzleramt, Monika Grütters (CDU), ließ die Beschlüsse nämlich ins Leere laufen. Sie setzte eine – angeblich unabhängige – Expertengruppe unter Vorsitz des renommierten Berliner Kurators Thomas Weski ein. In der saß neben der Kuratorin Katrin Pietsch vom Nederlands Fotomuseum und dem emeritierten Direktor des Getty Research Instituts in Los Angeles, Thomas Gaehtgens, auch die langjährige Fotokuratorin des Essener Museum Folkwang, Ute Eskildsen – merkwürdigerweise aber niemand aus Düsseldorf.
Ein paar Monate danach verbündete sich just jenes Folkwang Museum mit drei weiteren namhaften Essener Einrichtungen auf dem Gebiet der Fotografie und meldete Anfang des Jahres 2020 gemeinsam mit der Stadt öffentlich an: »Wir wollen das Fotoinstitut!« Keine zwei Monate später plädierte das von Weskis Quartett erstellte »Konzept für ein Bundesinstitut für Fotografie« tatsächlich: Essen ist geeigneter – und zwar für ein angeblich ganz anderes Konzept, das am Düsseldorfer Standort schon aus Platzgründen nicht unterzubringen sei.
Bundestag votierte endgültig für Düsseldorf
Seitdem schwelte der Streit. Ihn konnte auch die damalige nordrhein-westfälische Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) durch eine Entscheidung auf Landesebene nicht beenden, weil für ein »Nationales Fotoinstitut« die Zusammenarbeit mit dem Bund samt dessen Gelder für Errichtung und Betrieb nötig sind. Zu vermitteln gab es schnell nichts mehr: Düsseldorf bestand auf den Entscheidungen der Parlamente von Bund und Land; Essen tat so, als hätten die nichts zu bedeuten, und Monika Grütters ignorierte beinahe demonstrativ, dass Haushaltsbeschlüsse in Deutschland Gesetzeskraft haben.
Das Bemerkenswerte daran: Die Kulturstaatsministerin im Bund ist rein formal nur eine Staatssekretärin in der Regierung. Sie hat anders als »echte« Minister*innen auch kein Stimmrecht am Kabinettstisch. Trotz dieser nachgeordneten Position konnte Grütters über Jahre einfach den gesetzlichen Auftrag des Bundeshaushalts missachten. Über ihre Gründe kursieren viele Theorien und Mutmaßungen; Belege für den einen oder anderen Verdacht gibt es aber weiterhin nicht.
Nun hat der Bundestag mit der neuen Ampelmehrheit noch einmal und endgültig für Düsseldorf votiert. Die federführenden Haushaltspolitiker in der Koalition, darunter der Krefelder FDP-Abgeordnete Otto Fricke, bestätigten diese Entscheidung genauso wie ihre Kolleg*innen aus dem Kulturausschuss; dort ist der Wuppertaler Helge Lindh Sprecher der größten Regierungsfraktion SPD.
In der Sache war das mindestens überfällig, weil man sich jetzt anderen Fragen des Projektes zuwenden kann, neben denen sich die nach Düsseldorf oder Essen vermutlich schon bald als unbedeutend erweisen wird. Das betreffe vor allem »die Kalkulation der Baukosten sowie Verständigungen zu den Betriebskosten«, ließ die gegenwärtige Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verlautbaren. Aus gutem Grund: Die Machbarkeitsstudie einer Beratungsgesellschaft der öffentlichen Hand, die Anfang 2020 parallel zum Konzept von Weski und Co. erstellt worden war, hatte mindestens 125 Millionen Euro für die Errichtung des Instituts ermittelt – und zwar explizit unabhängig vom tatsächlichen Standort(!).
Gestiegene Kosten
Das waren jedoch schon zu diesem Zeitpunkt rund 50 Prozent mehr als Bund und Land bis heute bewilligt haben. Seitdem sind drei weitere Jahre vergangen, in denen nicht nur die Anforderungen an Bauprojekte dieser Art bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit massiv gestiegen sind, sondern die Baukosten generell. Bis zur Eröffnung an seinem künftigen Sitz gegen Ende dieses Jahrzehnts wird das Deutsche Fotoinstitut Düsseldorf mit einiger Wahrscheinlichkeit rund 200 Millionen Euro kosten. Und auf die Kalkulation der jährlichen Ausgaben für den laufenden Betrieb wurde in dieser »Machbarkeitsstudie« (vorsorglich?) gleich ganz verzichtet.
Der zugehörige Stellenplan verzeichnet allerdings mehr als 50 Vollzeitbeschäftigte, von der Leitung des Hauses über Forschung, Sammlung und Öffentlichkeitsarbeit bis zu IT und Poststelle. Ungefähr die Hälfte davon haben die Autor*innen der Studie im mittleren bis oberen Bereich der Tarifstruktur des Öffentlichen Dienstes angesiedelt. Wenn man diese Gehälter mal überschlägt und dann noch die erwartbaren Ausgaben für den Betrieb und die Unterhaltung eines Gebäudes mit mehr als 10.000 Quadratmetern Nutzfläche samt Forschungslaboren und Kunstdepots auch nur haargenau Luftlinie über den Daumen mitkalkuliert … kommt dabei eine zweistellige Millionensumme heraus – Jahr für Jahr für Jahr.
Sollte auch weiterhin das Nationale Literaturarchiv in Marbach als Blaupause für die Trägerschaft des Deutschen Fotoinstituts Düsseldorf dienen, würden sich der Bund und das Land NRW 95 Prozent dieser Gelder zumindest teilen können. Angesichts der viel beschworenen »Zeitenwende«, die wir gerade nicht nur in verteidigungs- und energiepolitischen Fragen erleben, könnte das Deutsche Fotoinstitut Düsseldorf allerdings das letzte nationale Großprojekt dieser Art sein. Wenn es denn kommt …