Text: Volker K. Belghaus
»Nothing left for the rotten art market!« hatte Robert Frank geknurrt und die Ausdrucke aus Zeitungspapier, die der Journalist Alex Rühle und der Verleger Gerhard Steidl ihm zur Vorbereitung seiner Ausstellung mitgebracht hatten, begeistert zerknüllt. Deren Idee kam dem Ausstellungsverächter und Fotobuchliebhaber gerade recht – seine Fotos sollten auf über drei Meter lange Zeitungspapierbahnen gedruckt und an die Museumswände geheftet werden, »cheap, quick and dirty«, wie Frank es mag. Am Ende müssen die Papierbahnen konsequent vernichtet werden.
»So, und jetzt?« fragt einer der Arbeiter vom Museum Folkwang, die im Foyer auf ihren Einsatz warten. Kunst von der Wand reißen, anstatt sie vorsichtig in Klimakisten zu verpacken? Macht man auch nicht jeden Tag. Bei der ersten Papierbahn sind die folkseigenen Kräfte noch respektvoll. Bahn um Bahn wird abgenommen, in Fetzen gerissen und in einen Rollcontainer geworfen.
Das Geräusch reißenden Papiers füllt den Flur, in den Pausen hört man das Echo eines weiteren Teams zwei Ecken weiter. »Wer macht denn so was?« fragt einer, der beim Abziehen der Infozettel großflächig die graue Wandfarbe mit herunterreißt. Die Bahnen in Griffhöhe sind schnell unten; aber, wie sollte es im Ruhrgebiet anders sein – der Steiger kommt. Die Brüstung des heranfiependen Hubsteigers ist mit einem lädierten Fotodruck geschmückt, auf dem eine Bambusbar in Südsee-Atmosphäre zu sehen ist.
Die beiden Männer, die nach oben hydrauliert werden, arbeiten schweigend und reichen die Bahnen nach unten weiter. Dort sind die Arbeiter auf Betriebstemperatur und flachsen familiär. Einen Flur weiter haben andere ihr Werk verrichtet und pittoreske Altpapierberge hinterlassen, die darauf harren, eingesammelt zu werden. Papier und Doppelkleberreste sind zu Bällen zusammengeknüllt; einige kicken sie übermütig in den nächsten Papierhaufen. Ein Arbeiter sammelt noch Klein-Papier auf, ein Sicherheitsmann schaut zu. Der Container ist voll. Dann ist es vorbei. Auf einem herrenlosen Rollwagen mit Reinigungsutensilien steht ein Eimer mit der Aufschrift »Salatmayonaise«.