Über Jahrzehnte waren sie einfach da. Sie gehörten zum Eckkneipeninventar wie das Herrengedeck, Sol-Eier im Glas, der Geruch von aufgeweichten Bierdeckeln und die sprücheklopfenden Oppas – die Sparschränke. Bienenstockgleich mit vielen kleinen Öffnungen versehen, hingen sie in der Nähe des Tresens, meist aus robustem, aber abgewetztem Metall.
Bei
den Sparschränken ging es nie darum, möglichst hohe Vermögen
anzuhäufen. Vielmehr förderten sie das gesellige Kneipenleben. Um
mitzumachen, musste man dem Sparverein des jeweiligen Etablissements
beitreten und war so verpflichtet, regelmäßig einen bestimmten
Geldbetrag einzuzahlen. Dafür musste man ebenso regelmäßig das
Lokal aufsuchen, das man erst nach einem oder zwei Pils wieder
verließ. Ein perfektes Zusatz-Geschäft für die Wirte. Das läpperte
sich gut zusammen, genau wie Auszahlungen zum Jahresende – die
Finanzierung der Weihnachtsgeschenke war gerettet.
Nur noch 300 Sparschränke in Essen
Damals
wusste man als Sparer noch, wo sein Geld real lag. Bei Willy in der
Kneipe und nicht in virtuellen Investmentfonds. In Ruhrgebietsstädten
wie Essen muss die Zahl der Sparvereine zu den besten Zeiten sehr
hoch gewesen sein. Mit dem Sterben der Kneipenkultur verschwanden
auch die Sparschränke, momentan soll es in Essen noch 300 Exemplare
geben. Aber auch deren Ende naht – die örtliche Sparkasse hat den
Wirten jüngst mitgeteilt, dass sie zum Jahreswechsel die
Versicherung für die Sparschränke kündigt. Das Risiko tragen
danach die Gastronomen selbst – etwa im Falle eines Einbruchs. Die
Ersparnisse müssen dann von den Wirten ersetzt werden und nicht wie
bisher von der Sparkasse.
Münzgeld und zerknitterte Geldscheine
Für
die Sparkassen lohnt sich das Geschäft schlicht nicht mehr; mit dem
Kneipensparen werden keine nennenswerte Beträge verdient. Vor allem
nicht in Zeiten der Nullzinspolitik. Heutzutage müssen selbst
Geschäftsleute für die Einzahlung ihres Münzgeldes eine
zusätzliche Gebühr bezahlen; dass dann der Wirt mit einem Sack
Münzgeld und zerknitterten Geldscheinen in der Hand auch nicht mehr
in die smarte Finanzwelt passt, scheint da nur logisch. Die mangelnde
Nachfrage spürt die Industrie längst. Nordia Feinblech aus Kiel,
der ehemals größte Hersteller von Sparschränken, hat schon vor
zwei Jahren deren Fertigung eingestellt. Bereits vor den Kündigungen
bemerkte man die mangelnde Nachfrage. Die Dinger sind halt so robust,
dass Traditionskneipen an ihrem historischen Schrank von 1950
festhalten und in den hip gefliesten, bärtigen Burgerbratstätten
wäre ein neuer Sparschrank nicht mehr als ein ironisches Zitat.
Vielleicht
erfinden einige Programmierer eine Sparverein-App und retten den
Mythos ins digitale Zeitalter. Die noch existierenden Sparschränke
sollten nicht beim Altmetall landen. Lasst sie hängen so lange es
geht – als leeres Museumsstück, als Zeugnis der langsam
vergehenden Kneipenkultur.