// Spärlich bekleidete, junge Frauen lassen sich von wild aussehenden Männern mit Filzstiften und Spraydosen ihre Haut verzieren. Sie stehen danach in Grüppchen zusammen, zeigen ihren neuen Schmuck vor und lachen stolz in die Kamera. Die Fotografien von Deanna Templeton, die im Düsseldorfer NRW-Forum zu sehen sind, scheinen auf den ersten Blick die Riten eines sehr jungen, sehr fremden Stammes zu dokumentieren. Dabei hat die 1969 geborene Fotografin nur festgehalten, was in einem ganz normalen kalifornischen Sommer am Rande eines Skateboardfestivals geschieht. Die Helden schreiben ihre Autogramme auf Hüften oder Brüste ihrer meist weiblichen Fans, die Sponsoren lassen dazu ihr Marken-Logo auf die Haut sprühen – ein harmloser Spaß am Strand, zumindest sehen die fröhlichen Mienen der so »gezeichneten« Mädchen danach aus. Der Gedanke, der eigenen Instrumentalisierung zu Marketingzwecken beizuwohnen, wird dabei verdrängt vom Stolz, dabeigewesen zu sein.
Was Deanna Templeton bezeugt, sind die ewigen Ritualtänze der Jugend um Teilhabe und Initiation, um Individualität und Identifikation. Doch sie enthüllt noch mehr: die umfassende Kommerzialisierung einer ehemals subkulturellen Szene; die archaisch anmutende Spaltung in männliche Akteure und weibliche Fans; die frühe, scheinbar unausweichliche Normierung von Körperlichkeit und Schönheitsidealen. Die in der Skater-Hochburg Orange County aufgewachsene und zur Szene gehörende Fotografin enthält sich jedes Kommentars zu ihrer Arbeit. So zeichnet sie scheinbar ungerührt auf, was sie umgibt: die immer gleich aussehenden, schlanken Körper in den immer gleichen winzigen Bikinis, die langen Haare, die amazonenhafte, möglichst vorteilhafte Ausrichtung des Körpers zur Kamera. Fast 60 Schwarz-Weiß-Fotografien versammelt die Ausstellung »Scratch my Name on your Arm«; alle im Format 50 x 70 cm, was die Gleichförmigkeit des Gezeigten noch unterstreicht.
In einer Welt, in der Knochenbrüche und Stürze, begehrte Trophäen und Tattoos selbstverständlicher Teil einer stark an bestimmten Labels orientierten Gruppen-Uniform aus T-Shirt, Jeans, Turnschuhen und Skateboard sind, ist es vielleicht nur ein kleiner und selbstverständlicher Schritt, sich die Autogramme seiner Helden, genauso wie die Logos der Ausstatter und Sponsoren direkt auf den Leib kritzeln und sprühen zu lassen. Der Begriff des »Branding«, der das Prägen einer Marke in der Werbung, jedoch ursprünglich die Praxis der Cowboys beschreibt, ihren Rindern Brandzeichen zu setzen, erfährt hier eine überraschende Erweiterung: das Branding auf Zeit, Einschreibung per Filzstift. Abwaschbar. Aber auch harmlos?
Die Ausstellung »Scratch my Name on your Arm« bietet einen ebenso faszinierenden wie widersprüchlichen Einblick in Riten und Verhaltensweisen einer Szene, die sich die Gesetze von Marketing und Werbung, die sie finanzieren, buchstäblich einverleibt. Das richtige »Deck« (das Skateboard), Musik, Kleidung, Tätowierungen – all das bildet eine Einheit, die aus dem Skater-Alltag nicht wegzudenken ist. Die Nähe zur Kommerzialität wird dabei nicht sonderlich kritisch gesehen, sondern stellt in den meisten Fällen eher einen willkommenen Umstand dar. Schließlich sind die Sponsoren diejenigen, die den nomadisierenden Lebensstil der Skater erst ermöglichen. Wie in der Snowboard-Szene ist das Logo des Ausstatters omnipräsent.
So ist der Begleittext in dem kleinen Booklet »Your Logo Here«, das Deanna Templetons Strand-Fotografien enthält, erstaunlich. Denn es ist ein überaus kritischer Kommentar, der die Naivität der jugendlichen Skaterfans und die Kommerzialisierung der Szene beklagt. Verfasser des Textes ist kein Geringerer als Dianas Ehemann Ed Templeton, Skateboarder und Kultfigur. Worüber echauffiert sich der Mann? Über seine jugendlichen Fans, denen er unzählige Male das eigene Autogramm auf die Haut geschrieben hat?
Längst hat Ed Templeton, geboren 1972 und wie seine Frau aufgewachsen in Orange County, seine Profi-Skater-Karriere um seine eigene, überaus profitable Firma »Toy Machine« ergänzt, die Skateboards herstellt. Er designt Kleidung und verbindet wie viele andere Sport, Kunst und Coolsein. In diesem Universum gehören Sport und Vermarktung, das Gestalten von Fanzines und der Konsum von Szenemagazinen wie »Thrasher«, Punkrock, ein alkohol- und nikotinfreies Leben, kritisches Bewusstsein à la PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) und das wie selbstverständlich scheinende Öffentlichmachen des Privaten zusammen. Man sieht sich in all dem, wie der Titel eines Fotobandes von Ed Templeton verrät, durchaus als Anti-Establishment: »The Golden Age of Neglect« zeigte eine Hand mit gerecktem Mittelfinger. Dass große Firmen wie Nike längst mit harten Bandagen um die jungen und jüngsten Skater-Talente kämpfen, wird nicht unbedingt öffentlich diskutiert, passt es doch nicht ins Bild des weltweit unabhängig agierenden, an die unterschiedlichsten kreativen Diskurse angeschlossenen Hipsters. Die komplexen Verflechtungen aus Independent und Corporate Culture, aus Subversion und Mainstream prägen auch den Werdegang von Templeton. Doch versucht er einen eigenen Weg, schreibt zwiespältig anmutende, kritische Kommentare zur Teenager-Kultur, die ihn selbst groß gemacht hat. Kritik und Konsum scheinen sich also keineswegs auszuschließen. So designt der Veganer etwa lederfreie Skater-Schuhe für ein großes Label.
Auch Deanna Templeton scheint sich der vielen Widersprüchlichkeiten der Szene bewusst zu sein und sucht vermittels ihrer Arbeit offensiv damit umzugehen. Offensichtlich überlegt sie nicht lange, ob ihre Fotografie Dokument, Kritik oder Konzept sein soll. Sie ist vieles auf einmal: Bestandsaufnahme, Reflektorium, Bewusstseinsmaschine. Reizvoll ist dabei vor allem die unmittelbare Nähe zur Szene. Templetons Fotografie spielt in vielen Registern und bewegt sich dabei mäandernd über Grenzen hinweg, wie es dem multiplen Kreativitätsbegriff der Szene entspricht. »Have Fun and do it for your Friends«, fasste Aaron Rose es einmal zusammen, der mit »Beautiful Losers« den Film zur Szene drehte und Leuten wie Ed Templeton oder einer der wenigen weiblichen Figuren der Skater-Welt, der mittlerweile verstorbenen Margaret Kilgallen, ein Denkmal setzte. Viele der Protagonisten der ehemaligen Subkultur sind längst im Populären angekommen. Herr und Frau Templeton bewegen sich gegenwärtig noch in einem Zwischenreich, welches gerade für die Kunstszene ungemein attraktiv ist.
Die bildende Kunst saugt Positionen wie diese seit jeher gern auf. In Zeiten eines übersättigten und eben krisenhaft implodierenden Kunstmarktes verspricht jede Anregung von außen eine dringend notwendige Belebung. Immer wieder diffundierten Subkultur-Phänomene in die Kunst ein: In den 60er Jahren sorgte die Werbung für frische Ideen, in den 70ern die Hippie-Bewegung. In den 80er Jahren liebte man die bunten Phantasmen des Kitsches, in den 90ern die Gebilde der Mode. Heute ist es die Straße, von der gegenwärtig die vitalsten Impulse ausgehen, wie etwa der Aufstieg des Sprayers Banksy in die Kunstszene beweist oder das neue Interesse von Malerei und Fotografie für ehemals kulturelle Randphänomene wie Punk. Auch Ed Templeton selbst ist längst nicht mehr nur Skateboarder, sondern malt, fotografiert, collagiert. Seine Arbeit ist in Galerien wie der für die Street-Art einflussreichen »Alleged Gallery« in New York City ausgestellt worden, aber ebenso bei einem »Big Player« wie Jeffrey Deitch. Templeton hat mehrere Fotobücher herausgegeben und wird in der Kunstszene herumgereicht – seine Frau dürfte ihm demnächst nachfolgen.
Beide verkörpern, was einen großen Teil der Attraktivität der Skater-Szene ausmacht: Sie reklamiert für sich ein durchaus verführerisches Konzept eines unakademischen All-Over, eines alle Genres umfassenden »Do it yourself«. Niemand schert sich um High und Low, um Grenzen zwischen Kunst, Mode oder Design. Fotografie wird hier zum unmittelbaren Ausdrucksmedium, ebenso wie die persönliche Choreografie, die »Moves« des Skaters. Das Erscheinen dieser Kunst im Museumskontext ist – noch – eine Seltenheit. Dass es nun geschieht, ist der Aufmerksamkeit der Kuratoren Petra Wenzel und Werner Lippert zu verdanken, die Deanna Templetons Bilder zufällig im Internet sahen und der Künstlerin erstmals ein Forum dieser Art bieten.
Als der Philosoph Peter Sloterdijk vom »Menschen als Stammeswesen« sprach, mag er wohl nicht zuallererst an die Skater-Community gedacht haben, die komplexe Riten von Zugehörigkeit und Abgrenzung entwickelt hat. Die Praktiken dieses juvenilen Stammes, den Deanna Templetons Fotografien nun in den Blick bekommen, sind dabei vieles zugleich: individualistisch und uniform, Affirmation und Protest. Diese Arbeiten besitzen dabei nicht nur als fotografische Position Relevanz, denn sie ermöglichen es auch Nicht-Eingeweihten, einen Blick zu werfen in eine Welt, die für viele Betrachter jenseits des Teenager-Alters wie ein Tag auf dem Mars erscheinen mag. Templeton beobachtet eine Szene, der die kritischen Diskurse zum Thema Gender, Uniformität und Körperpolitik ebenso fremd scheinen wie die Grenzen von Hoch- und Popkultur. Aus all diesen Facetten setzt sich ein oszillierendes Bildgefüge zusammen, dessen Widersprüchlichkeit zugleich seinen größten Reiz ausmacht. //
»Scratch my Name on your Arm«, vom 4.4. bis 5.5.2009 im NRW-Forum, Düsseldorf www.nrw-forum.de