Es ist die Plattform der Freien Szene im deutschsprachigen Raum: das Impulse Festival in NRW. Nach zwei eingeschränkten Pandemie-Ausgaben und einigen Versuchen im Digitalen, findet das Festival jetzt wieder in Präsenz statt. Neun Produktionen werden im Mülheimer Ringlokschuppen gezeigt, ausgewählt wurden sie von einem Gremium. Sie sollen abbilden, was im vergangenen Jahr in der Freien Szene passiert ist.
»Auch 2021 haben wir Künstler*innen entdeckt, der Großteil der Eingeladenen ist zum ersten Mal bei den Impulsen zu Gast«, erzählt der Künstlerische Leiter Haiko Pfost. Darunter besondere Formate wie »Extinction Room (Hopeless.)« – eine Arbeit von Sergiu Matis über bedrohte Vogelarten, gespielt wird draußen im Park, begleitet vom Zwitschern aus jahrzehntealten Tonaufnahmen. Oder Helgard Haugs (Rimini Protokoll) »All right. Good night.«, dessen Text über Verschwinden und Verlust auf einen Gaze-Vorhang projiziert wird, immer im Flow mit der eigens komponierten Musik. Für Pfost eine »ganz neue Theatererfahrung«, die ihn an einen Stummfilm erinnert habe. Die Arbeit wurde übrigens auch zu den Mülheimer Theatertagen und zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Herausfordernde Arbeiten, künstlerisch wie gesellschaftlich, gehören zum Programm. Michael Turinskys Solo »Precarious Moves« zeigt den widerständigen Körper. Das beinhaltet »neben einem radikalen Blick auf die eigene Bewegungseinschränkung auch eine Menge Selbstironie und Spaß«, so Pfost. Die Eröffnungsproduktion »Lovesong« von Daniel Dominguez Teruel nimmt die deutsche Nationalhymne auseinander. Wer liest welche nationalen Symbole wie, ist da die Frage. Pfost: »Deutsche Fahnen sind nicht per se schlecht. Das hat immer mit dem Kontext zu tun, in dem sie gezeigt und mit welcher Bedeutung sie dabei aufgeladen werden«. Aus eben diesem Grund finde er Eindeutigkeit in einem ästhetischen Raum wie dem Theater auch uninteressant.
Um die Selbstverständigung des Freien Theaters geht es in den Impulse-Akademien. Die Vorträge und Workshophs finden in diesem Jahr in der Kölner TanzFaktur statt und beschäftigen sich mit den Themen Un/Safe Spaces (wie gehen Kunstfreiheit und Sicherheit zusammen?) und den Überschneidungen von Kunst und politischem Aktivismus.
Für das Stadtprojekt stellt die Künstler*innengruppe God’s Entertainment in Düsseldorf-Oberbilk eine Kopie des New Yorker Guggenheim Museums auf, zehn Meter hoch und aufblasbar. Vielleicht ein Katalysator für die Stadtentwicklung? Auf jeden Fall darf dort über städtisches Wohnen und Leben nachgedacht werden.
Haiko Pfost hat seinen Vertrag als Künstlerischer Leiter um ein Jahr bis 2024 verlängert. So könne noch mal jede der drei Städte – Düsseldorf, Köln und Mülheim – als Hauptort einer analogen Festivalausgabe bespielt werden. In diesem Jahr wird es zum ersten Mal deutsche Gebärdensprache-Übersetzungen und Audiodeskription geben.
9. bis 19. Juni, in Mülheim, Düsseldorf, Köln und Essen