Opernfans rätselten vor der Premiere: Was haben das Vorspiel zur Oper »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss und Béla Bartóks Einakter »Herzog Blaubarts Burg« miteinander zu tun? Antwort: Ungefähr die gleiche Entstehungszeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Sonst nichts. Die Oper Wuppertal tut auch gar nicht so, als wäre es mehr. Zwei Regieteams sind am Werk mit zwei Bühnenbildern. Es gibt keine Berührungspunkte und wohl nur den einen Grund für die ungewöhnliche Kombi: Die Dramaturgie fand den zweiten Akt von Richard Strauss nicht so doll und suchte nach einem anderen Stück, damit die Aufführung nicht schon nach 40 Minuten vorbei ist.
So geht es zunächst einmal los mit Richard Strauss. Ein reicher Mann hat ein Opern- und ein Komödienensemble für seine opulente Feier engagiert. Dann ist ihm das Feuerwerk doch wichtiger als die Kunst, weshalb alles etwas schneller gehen muss. Die ernsthaft Verkünstelten und die fröhlich Unterhaltenden sollen zusammenarbeiten. Was natürlich zu Konflikten führt, die Strauss mit herrlich feinsinnigem Humor auf der Höhe seiner Instrumentierungskunst in Töne setzte. Der neue, erst 26jährige Generalmusikdirektor Patrick Hahn zeigt am Pult des Sinfonieorchesters Wuppertal, warum er als Wunderkind gilt. Er dirigiert straff und pointiert, atmet mit den Sängern, beweist Humor.
Auch das Gesangsensemble begeistert, vor allem Anne Martha Schuitemaker als Zerbinetta und die grandiose Catriona Morison als Komponistin. Im Original ist die Rolle ein Komponist, aber für einen Prachtsopran geschrieben, deshalb scheint es logisch, sie heute gleich mit einer Frau zu besetzen. Es gibt nur einen groben Regiefehler in der souveränen Inszenierung von Bernd Mottl. Er zeigt das Ensemble der Comedia als knallbunte Tierfiguren – Kindertheaterklischees von Vorgestern. Wenn es darum geht, dass sich die dramatischen und komischen Künste auf Augenhöhe begegnen, ist das Blödsinn. Doch sonst gelingt ein spritziger Auftakt des Abends auf hohem Niveau.
Feministische Deutung
Musikalisch bleibt das auch so. Béla Bartóks Komposition wirkt heute wie eine Vorahnung der großen Hollywoodsoundtracks von der Stummfilmzeit bis zu Bernard Herrmanns Musiken für Alfred Hitchcock. Ein Raunen, ein Wispern, ein Andeuten, überwältigender Spannungsaufbau, Explosionen. Patrick Hahn schafft auch in den ganz leisen Tönen ein nervöses Vibrieren. Khatuna Mikaberidze und Ralf Lukas singen die beiden Rollen dieser Kammeroper ebenso mitreißend.
Die Regie hat sich eine feministische Deutung ausgedacht, die in sich logisch ist: Blaubart bringt keine neue Frau in seine Burg, sondern seine Enkelin. Judith setzt ihren Opa unter Druck, will ihn kurz vor seinem Tod zur Wahrheit zwingen. Blaubart ist ein siechender Greis, seine Burg ein Krankenhaus. Wenn Judith die fünfte Tür öffnet und Blaubarts riesige Ländereien erblickt, geht er ins helle Licht und stirbt. Fortan bleibt der Alte als Geist präsent. Am Ende setzt sich Judith mit einigen hinzuerfundenen Rollen zum Beerdigungscafé an einen Tisch und trinkt Käffchen auf eine bessere Zukunft.
Denn Blaubart steht für die toxische Männlichkeit an sich. Seine Burg ist unser Gesellschaftssystem, aufgebaut auf Umweltzerstörung und gewissenlosem Kapitalismus. Hinter den Türen, die Judith geöffnet hat, sieht das Publikum naiv-plakative Bilder, die diese Botschaften transportieren. Die Regie nimmt mit ihrer Holzhammerdramaturgie dem Stück Flair, Atmosphäre und Mehrdeutigkeit. Doch all das strömt in der Oper Wuppertal aus dem Orchestergraben.
17., 24. Juni
Oper Wuppertal