Am Ende war der Druck dann doch wohl zu groß. Als, kaum war über die beiden Warhols aus dem Besitz der Kasino-Gesellschaft Westspiel der Hammer gefallen, herauskam, dass auch die dito landeseigene Portigon AG, Nachfolgerin der WestLB, ihre Kunstsammlung auf die Ladentheke packte, schwoll die öffentliche Empörung auf ein Maß an, das selbst die durch Kunstfragen sonst nicht berührbare Ministerpräsidentin zum Zucken brachte. Sie wolle diesen Streit vom Tisch haben, soll sie im Kabinett gemurrt haben, nachdem die halbe kulturelle Öffentlichkeit der Bundesrepublik sie zum Schutzhandeln gegenüber der Kunst aufgefordert und zuletzt sogar der ZERO-Künstler Heinz Mack ihr einen bitterbösen Brief geschrieben hatte.
Ergebnis des Sinneswandels war der »Runde Tisch zum Umgang mit Kunst in Unternehmensbesitz des Landes«, der bereits während der Warhol-Debatte gefordert, damals aber von Finanzminister Norbert Walter-Borjans abgelehnt worden war. Der Kreis – bestehend aus dem letztgenannten, der Kulturministerin, den Fach-Abgeordneten der im Landtag vertretenen Parteien, dem Kulturrat NRW, dem Wuppertaler Künstler Jan Albers, Vertretern des landeseigenen Firmen Westspiel, Westlotto, NRW Bank, Portigon u.a. – tagte erstmals am 5. Februar. Es war der Anfangsschritt hin zu jener »politischen Lösung«, die Kulturministerin Ute Schäfer in einer anschließenden Pressekonferenz als Ziel weiterer Zusammenkünfte benannte und die alle Teilnehmer mittlerweile einhellig zu wollen scheinen. Ein Moratorium wurde verabredet; bis zur Sommerpause soll eine Expertengruppe ermitteln, welche Kunstwerke für NRW von besonderer Bedeutung sind, damit sie im Rahmen etwa einer Stiftungslösung dauerhaft gesichert werden können. Jetzt gehe es erst einmal nicht ums Verkaufen, so Schäfer erleichtert. Zwölf Werke aus dem Portigon-Portfolio hat die Ministerin darüber hinaus in das Verfahren zur Prüfung national wertvollen Kulturguts gebracht und damit ihren Verkauf außer (Deutsch-)Landes untersagt, darunter die in Münster beheimateten Werke von Giovanni di Paolo und Eduardo Chillida, die besonders verkaufsgefährdet waren (s. K.WEST 2/2015). Außerdem die Stradivari, die die WestLB dem Geiger Frank Peter Zimmermann zur Verfügung gestellt hatte. Der Künstler war allerdings von WestLB-Nachfolgerin Portigon noch vor dem Runden Tisch aufgefordert worden, die Violine bis Ende Februar zu erwerben, wenn er sie weiterhin spielen wolle. Weswegen der Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie, Stephan Frucht, die Portigon während der Tagung »explizit« aufforderte, nicht »so viele höchst-wertvolle Kunstwerke auf den Markt zu werfen« und Musikern ihre Instrumente zu belassen – wie er K.WEST berichtete.
Zweifellos, der Wind hat sich gedreht – anekdotischer Beleg dafür ist die Tatsache, dass noch zur Zeit des Warhol-Verkaufs alle Presseanfragen in dieser Sache an das Finanzministerium zu gehen hatten. Jetzt aber wieder ans Kulturministerium.
In Zeiten hemmungslosen ökonomischen Denkens ist Kunst nur gesichert, wenn sie wertvoll ist; wertvoll ist sie, wenn sie verkauft wird, wie Walter-Borjans’ legendäres Diktum lautete. K.WEST hat daher einige Teilnehmer des Runden Tisches drei Fragen nach ihrer Einschätzung und ihrer Hoffnung gestellt:
1. Sie waren Teilnehmer des Runden Tisches – wie bewerten Sie das Ergebnis?
2. Welchen Vorschlag zum Umgang mit den Kunstsammlungen von Portigon, Westspiel usw. haben Sie unterbreitet?
3. Wie ist Ihre Hoffnung, dass am Ende des Prozesses eine Lösung gefunden wird, die dem Doppelcharakter der Kunst – als kommerzieller Wert wie als »Träger von Identitäten, Werten und Sinn« (UNESCO-Magna Charta) – gerecht wird?
Oliver Keymis, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen im Landtag:
Zu 1. Wir haben in einer sehr konstruktiven Atmosphäre miteinander gesprochen, Fakten geklärt, Bedingungen erörtert. Von Anfang an waren sich alle darüber einig, dass eine politische Lösung gefunden werden muss. Insofern ein guter, vernünftiger Auftakt.
Zu 2. Die Portigon-Kunstsammlung sollte daraufhin angeschaut werden, welche Werke für NRW bedeutsam sind, das werden am Ende eventuell 70 oder 80 Prozent sein. Mein konkreter Vorschlag war, diese Werke alsdann in die Obhut der Stiftung Kunstsammlung NRW zu geben, als sogenannte Zustiftung. Die Kunstsammlung NRW würde treuhänderisch damit verfahren, mindestens auch insoweit, als etliche Arbeiten ja in anderen nordrhein-westfälischen Museen hängen. Das alles vertraglich zu regeln, ist kein Problem. Dieser Vorschlag hätte natürlich zur Voraussetzung, dass ein Großteil der Portigon-Kunstsammlung aus deren Bilanz herausgerechnet und mit einem Gegenwert in der Bilanz verbucht werden muss, damit die Portigon AG die Abwicklung der WestLB rechtlich einwandfrei vollziehen kann. Der Finanzminister hat bestätigt, dass die in Rede stehende Summe ungefähr dem Versicherungswert der Portigon-Kunst entspräche, also etwa 28 Millionen Euro. Diese Summe sollte, wie ich weiter vorschlage, vom Land als Bürgschaft abgesichert werden, soweit dies aktienrechtlich so vollziehbar ist. Anderenfalls wird auch die neunzehntstärkste Ökonomie der Welt, also NRW, eine politische, also auch haushaltstechnische Lösung finden, wie wir die Kunst, die wir im Land halten wollen, so bezahlen, dass die Bilanz der Portigon AG stimmt.
Zu 3. Ich bin überzeugt, dies wird möglich sein. Einfach, weil wir einen großen Teil der für NRW wichtigen Werke für das Land werden erhalten können. Dafür sollte das Land ein Stück weit in die Verantwortung gehen, wobei sich möglicherweise noch andere Einrichtungen und Mäzene finden lassen, die sich beteiligen – auch das war Thema am Runden Tisch. Fazit: Wir werden gemeinsam eine politische Lösung finden. Sie wird finanziell überschaubar sein. Die Kunstwerke, die sich in den Museen NRWs befinden, bleiben an ihrem Ort, Panik ist nicht mehr angebracht. Jedoch: Das alles hätte man schneller haben können.
Thomas Sternberg, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag:
Zu 1. Der Runde Tisch hat zur Klärung beigetragen, dass es sich nicht um ein finanztechnisches Problem, sondern eines handelt, das politisch gelöst werden kann und muss. Das haben auch die Finanzfachleute am Tisch klar gemacht. Zudem wurde deutlich, dass die Portigon endlich eine brauchbare Liste mit ihrem Kunstbesitz vorlegen muss, um überhaupt eine Gesprächsgrundlage zu haben. Nicht gelöst ist die sture Haltung des Finanzministers, der nach wie vor nicht einmal ins Kalkül zieht, dass der Landeshaushalt mit den Kosten der Sammlung zu belasten ist – bei gleichzeitiger minimaler Minderung des WestLB-Verlustes. Für völlig weltfremd halte ich seine Hoffnung, es könnten sich private Sponsoren finden, die ohne entsprechendes Engagement des Landes die Sammlung aufkauften und der Öffentlichkeit gleichzeitig überließen.
Zu 2. Seit mehreren Jahren habe ich den Vorschlag gemacht, die Bestände der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen einzugliedern. Ob dies als unselbständige Stiftung oder wie auch immer technisch geschieht, ist eine zweitrangige Frage. Die Kunstsammlung sollte dann treuhänderisch die Objekte nicht ins Depot geben, sondern an Museen im Land gleich welcher Trägerschaft als Dauerleihgaben des Landes zu Ergänzung der Sammlungen weitergeben. Dies würde die Kunstsammlung im Land vernetzen und wäre die Lösung von eigentumsrechtlichen Fragen, die bei einer direkten Übertragung an Museen entständen. Die Lottogesellschaft und die NRW-Bank verhalten sich vorbildlich mit ihrem Kunstbesitz: zwei Bilder von Polke wurden soeben in zwei Museen übergeben und andere Arbeiten sind öffentlich zugänglich. Ein Ende der Kunstankäufe durch landeseigene Betriebe wäre eine falsche Reaktion.
Zu 3. Das Glas ist im Moment halb voll – mehr leider noch nicht. Die Kulturmenschen am Runden Tisch haben in aller wünschenswerten Klarheit den besonderen Charakter von Kunstwerken nicht zuletzt für das Ansehen dieses Landes hervorgehoben. Der Imageschaden ist schon jetzt enorm. Dieses Land steht für die Kunst der Moderne wie kein anderes; in Köln, Düsseldorf und anderen Städten des Landes waren und sind die Künstler, Galeristen, Kuratoren, Museen. In Münster haben die Skulptur-Projekte das ihre dazu beigetragen. Nicht sicher bin ich, ob es gelingt, dass dieser Finanzminister die Proportionen der Summen einer Kunstsammlung, deren Wert sich zwischen 28 und 50 Millionen Euro bewegt, und dem Gesamtverslust der WestLB-Abwicklung vor Augen führt. Die Ministerpräsidentin lehnt nach wie vor jede Äußerung zu dem Debakel ihres Finanzministers ab. Ein Zwischenerfolg ist jedoch zu konstatieren; die Wolken der Nebelkerzen sind gelichtet, aber für eine Entwarnung ist es viel zu früh.
Andreas Bialas, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag:
Zu 1. Das Ergebnis der ersten Runde war in Ordnung. Man hat sich geeinigt, dass es eine politische und keine durch reine finanzielle und rechtliche Notwendigkeit zwangsläufige herbeigeführte Lösung geben wird. Der Primat der Politik wird entscheiden. Besonders wichtig ist auch, dass der zeitliche Druck herausgenommen werden konnte, man muss nicht umgehend abwickeln, sondern es verbleibt Zeit zur vernünftigen und besonnenen Diskussion, um gute und rechtlich unbedenkliche Kompromisse zu finden. Des Weiteren wurden bereits Zukunftsmodelle andiskutiert. Also: Ein guter Start aber noch kein abschließendes Ende.
Zu 2. Wir haben und zunächst weitestgehend auf die Portigon AG konzentriert, da hier Handlungsdruck besteht. Die rechtlichen Bedingungen und situativen Rahmen der Unternehmen sind ja recht unterschiedlich. Es geht daher zunächst darum, Werke aus der Portigon AG in eine Stiftung zu überführen. Das betrifft zuvorderst natürlich die Werke von nationalem Interesse, aber natürlich geht es auch um diejenigen, welche aufgrund ihrer besonderen Anschaffungsmodalität bereits jetzt Dritten oder einer Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und es geht um die Werke, die eine Bereicherung der Sammlungen der Museen in NRW darstellen. Es gilt hierfür eine Gesamtlösung zu finden.
Zu 3. NRW ist ein Kulturland und definiert sich selbstverständlich über seine Kultur. Meine Hoffnung ist daher immer gegeben und immer groß.
Fritz Behrens, Präsident der Kunststiftung NRW:
Zu 1. Das Gespräch am Runden Tisch hat eine Tür für mögliche positive Ergebnisse geöffnet, die allerdings nun in den nächsten Wochen konkreter ausgearbeitet und politisch entschieden werden müssen. Ich wünsche mir, dass die Landesregierung und der Landtag dafür die Kraft finden, zielstrebig vorangehen und einem möglichen Engagement Privater beispielhaft vorangehen.
Zu 2. Ich bin mit dem Vorschlag einverstanden, eine Lösung zu finden, die das Herauslösen der Kunstgegenstände aus dem Vermögen der »Portigon« und ggfs. der übrigen Gesellschaften (NRW-Bank, Westspiel GmbH und WestLOTTO GmbH) gegen Entgelt möglich macht. Dafür bietet sich auf den ersten Blick eine Stiftungslösung an, für die aber noch entschieden werden müsste, wer das notwendige Stiftungskapital zur Verfügung stellt. Dafür kommen in erster Linie das Land NRW, daneben aber auch private Sponsoren – idealerweise sogar gemeinschaftlich – in Betracht.
Zu 3. Nachdem der öffentliche und politische Druck so groß geworden ist, wie man es vorher vermutlich kaum für möglich gehalten hatte, bin ich verhalten optimistisch, dass das, was an Kunstgegenständen für das Land NRW erhalten werden sollte – das muss nicht alles sein, was die WestLB früher als Kunst erworben hat – vor einem freihändigen Verkauf bewahrt werden. Der Kulturstandort NRW braucht eine mutige und wegweisende politische Lösung!
Stephan Frucht, Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie:
Zu 1. Positiv ist, dass Zeit gewonnen wurde. Denn der Runde Tisch soll bis zum Sommer noch zweimal tagen. Vorher kann nicht entschieden werden.
Zu 2. Wichtig war, dass auf Basis der rechtlichen Situation eine politische Entscheidung getroffen wird. Ich habe Portigon explizit aufgefordert, nicht unter Zeitdruck so viele höchst-wertvolle Kunstwerke auf den Markt zu werfen. Vor allem war mir wichtig, dass die Portigon nicht den Künstlern, die z.B. Instrumente des Unternehmens spielen – wie z.B. der Weltklassegeiger Frank Peter Zimmermann -, wegnimmt.
Zu 3. Dem Kunstmarkt und seinen ganz eigenen Gesetzen stehe ich distanziert gegenüber. Die Hoffnung, dass Menschen auch in Zukunft den Eigenwert von Kunst erkennen, bleibt bestehen.
Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrates NRW:
Zu 1. Der Runde Tisch hat eine Bedeutung, die über den Fall Portigon hinausgeht. Wie geht NRW, wie gehen die politisch Verantwortlichen generell mit Kunst und Kultur um? Welchen Stellenwert haben Kunst und Kultur nach Verabschiedung des Kulturfördergesetzes für NRW? Wir wollen also am runden Tisch alle Gefährdungen, die der Kunst in öffentlicher Hand drohen könnten, behandeln und werden dazu im April als Kulturrat zu einer öffentlichen Veranstaltung einladen, im Rahmen unserer Initiative »NRW braucht Kultur«.
Zu 2. Die Portigon-Kunst ist nicht als Wirtschaftsgut angeschafft worden. Es muss also zu einer kulturpolitischen Lösung kommen und nicht zu einer fiskalischen – auch wenn dies Geld kostet. Es sind mehrere Modelle einer Stiftungslösung in der Diskussion. Sie müssen jetzt konkretisiert werden.
Zu 3. Die bisherige Diskussion hat dem Land geschadet. Der Runde Tisch gibt Anlass zur Hoffnung, aus der Defensive herauszukommen und tragbare Lösungen zu finden.
Susanne Titz, Direktorin Städtisches Museum Abteiberg:
Zu 1. Am Runden Tisch haben wir den politischen Willen erlebt, eine Lösung für die Portigon-Kunstwerke zu finden, die nicht Verkauf heißt. Was bedeutet, dass diese Werke, die öffentlicher Besitz sind, nach Möglichkeit auch in der Öffentlichkeit, in NRW, bleiben. Die Sammlung wird jetzt begutachtet, gleichzeitig sind einige Kunstwerke unter Schutz gestellt worden; dadurch haben wir Zeit gewonnen, uns Gedanken darüber zu machen, was mit der Kunst geschieht. Wichtig ist, dass die Portigon-Liste jetzt endlich auch veröffentlicht bzw. einem Expertengremium vorgelegt wird. Denn da dies nach wie vor nicht der Fall ist, wissen wir immer noch nicht, welche Werke sich hinter Künstler und Titel verbergen. In dieser Hinsicht war dieser erste Runde Tisch vorläufig, ein ganz entscheidender Schritt fehlt noch. Deutlich geworden ist hingegen, wie sehr die Sammlung der WestLB / Portigon einen Teil der nordrhein-westfälischen Sammlungs- und damit Kulturgeschichte darstellt, sich die weltberühmte Kunstgeschichte des Rheinlands auch in dieser Sammlung spiegelt. Es gibt einige Werke, die internationale Bedeutung haben, Weltkulturbesitz sind. Andere nicht, aber die sind oft mit der nordrhein-westfälischen und etwa der Akademiegeschichte verbunden. Das anzuerkennen ist, zusammen mit dem Willen zu einer politischen Lösung, den interfraktionell alle Partien geäußert haben, ein wesentlicher Schritt. Aber nur ein erster.
Zu 2. Den Vorschlag, die Portigon-Kunst in eine öffentliche Stiftung zu überführen und dann an eine Landesinstitution anzuknüpfen, halte ich für richtig; zumal man so die gesamte Organisation schlank halten und sich des Sachverstands, der in den Landeshäusern vorhanden ist, bedienen könnte. Diesen Stiftungsgedanken zu verwirklichen, ist eine Hausaufgabe für die nächsten Monate. Offen ist natürlich noch die Frage, wie mit der Wertermittlung umgegangen wird. Der Finanzminister scheint mir hier noch nicht ganz überzeugt.
Zu 3. Weil das Problem nicht nur eines von Portigon oder anderen Landes-Firmen, sondern ein grundsätzliches ist, haben wir die Bitte unterbreitet, sich in der Landespolitik Gedanken über die Vermittlung kultureller Werte zu machen. Mehr und mehr, nicht nur was bildende Kunst, auch was Theater und andere Kulturbereiche betrifft, setzt sich die Meinung durch, dass Kultur in öffentlicher Hand eine Sache des 20. Jahrhunderts gewesen, dass sie jetzt eine private Angelegenheit und privat zu finanzieren sei. Diese Auffassung kommt von neoliberaler, aber auch linker und grüner Seite. Dies ist etwas, was meines Erachtens von der Landespolitik problematisiert werden müsste. Damit in öffentlicher Diskussion erörtert wird, was öffentliche Kultur ist und wie man sich dazu verhalten will, wenn weiterhin – wovon auszugehen ist – diese Kultur zur Disposition gestellt wird.
Außerdem müsste man überlegen, ob nicht von Landesseite aus Richtlinien erarbeitet werden sollten für West-Lotto und andere Landesgesellschaften, um das dort an Kunst Gesammelte zu schützen, damit es nicht unter der Hand verkauft wird oder im Falle einer Insolvenz verloren geht.
Isabelle Pfeiffer-Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder:
Zu 1. Bei einer solchen Runde kommt es immer darauf an, welche Erwartungen man an sie hat. Da die Fronten zuvor sehr gegensätzlich verliefen, war es besonders wichtig, dass die Gesprächsatmosphäre am Tisch gut war und die Debatte von Kulturministerin Ute Schäfer klug moderiert wurde. Natürlich hat niemand damit gerechnet, dass alles Strittige sofort geklärt werden könnte. Aber es sind doch einige wesentliche Ergebnisse erzielt worden.
Zu 2. Wichtig war mir, deutlich zu machen, dass es hier auch um das Ansehen Nordrhein-Westfalens als Kulturstandort geht. Etliche Teilnehmer der Runde haben bestätigt, dass sie aus anderen Bundesländern, aber auch aus dem Ausland gefragt wurden, was denn los sei in NRW. So, wie die Debatte um die Kunstverkäufe verlief, hat sie zu Irritationen geführt; es war wichtig, dass dies den Verantwortlichen in der Landesregierung deutlich gemacht werden konnte.
Ein für mich wichtiger Punkt war das Einverständnis eigentlich aller Seiten mit einer politischen Lösung des Problems. Dass also nicht der Vorstand der Portigon, der in relativ engen unternehmensrechtlichen Bedingungen agieren muss, die Entscheidung über den Fortbestand der Sammlung trifft, sondern der Eigentümer, das Land.
Ein weiteres gutes Ergebnis des Runden Tisches ist sicherlich das, was unter dem Stichwort Moratorium steht: Alle landeseigenen Gesellschaften, mit kleinen Einschränkungen seitens der Portigon, haben sich dafür ausgesprochen, momentan keine Kunst-Verkäufe vornehmen zu wollen. Damit ist erst einmal der Druck heraus bis zur Sommerpause; das war der Zeitraum, den die Ministerin benannt hat, um bis dahin über eine gemeinsame Lösung nachzudenken. Weiterhin sind, was den Verbleib der Kunstwerke betrifft, diverse Vorstellungen in Richtung einer Stiftungslösung diskutiert worden; hier muss das Ministerium prüfen, inwieweit dies möglich ist. Der Finanzminister hat allerdings immer wieder darauf hingewiesen, dass jede Lösung kompatibel sein müsse mit den Bedingungen, die die Portigon als Unternehmen in Abwicklung erfüllen muss. Und dass bei der Überführung der Kunstwerke etwa in eine Stiftung ihr Marktwert für die Portigon berücksichtigt werden müsse. Das ist sicherlich noch nicht konsensfähig. Vereinzelt wurde auch die Zuversicht laut, man könne Privatleute oder private Institutionen motivieren, Geld in eine solche Stiftung einzubringen. Da ich viel Erfahrung mit Geldsammeln für Kunstankäufe habe, sehe ich hier nur eine Chance, wenn das Land mit deutlichem Engagement vorangeht.
Jetzt geht es erst einmal darum, die Sammlungen zu sichten hinsichtlich der Bedeutung einzelner Werke für Nordrhein-Westfalen, wobei ich vorgeschlagen habe, sich hierbei externen Rates zu bedienen; so verfahren wir in der Kulturstiftung der Länder auch. Ein Problem gibt es dabei allerdings noch: Eine vollständige Liste der Kunstsammlung der Portigon liegt immer noch nicht vor, die Bank hat immer wieder betont, dass sie diese Aufstellung nicht herausgeben könne, aus welchen Gründen auch immer. Das ist etwas, was mich irritiert hat. Auch als Juristin sehe ich keine Rechtsnorm, die eine Begründung dafür liefern könnte. Dieses Problems wird sich die Ministerin annehmen müssen.
Zu 3. Ich denke, es gibt von den Teilnehmern des Runden Tisches niemanden mehr, der heute noch sagen würde, die Unternehmen können mit der von ihnen gekauften Kunst tun, was sie wollen. Das war ja das, was uns am Anfang immer entgegen gehalten wurde. Da das Land Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu allen anderen Bundesländern einen extrem niedrigen Kulturhaushalt hat und immer hatte, fungierte damals die landeseigene WestLB immer wieder – in Absprache mit dem Land – als Förderin der Kultur. Insofern fällt deren Sammlungstätigkeit nicht im strengen Sinne unter die Museumsrichtlinien, aber war und ist eben auch nicht die Kunstsammlung einer privaten Firma, die damit in der Tat machen kann, was sie will. Es wäre wünschenswert, wenn man am Ende des ganzen Prozesses einige grundsätzliche Positionen entwickeln könnte, wie ein Land mit Kunstbesitz in einem öffentlichen, privatrechtlich organisierten Unternehmen umgehen sollte. Da bewegen wir uns derzeit ein bisschen im Niemandsland. Es gibt in anderen Bundesländern, Hessen und Baden-Württemberg habe ich mir beispielhaft angeschaut, sowohl Fördertätigkeit der Landesbanken als auch Ankäufe für eigene Zwecke usw. Jedoch ist dort nach meiner Kenntnis nie etwas von dieser Kunst verkauft worden. Nordrhein-Westfalen steht hier leider an der Spitze einer Entwicklung, die hoffentlich nicht weiter gehen wird.
Die landeseigenen Firmen selbst hatten sich darauf verständigt, keine Stellungnahmen zum Runden Tisch anzugeben.