Seien es repräsentative Theater, prächtige Konzerthallen oder kleine versteckte Literaturcafés in der Stadt: Manche fühlen sich von Kulturbauten eingeschüchtert, andere wiederum übersehen sie leicht. So wichtig auch feste Standorte für Kultur sind, so sehr können sie auch die Kunst einschränken. Es wird immer in der gleichen Umgebung gespielt, es herrscht immer die gleiche Akustik. Das Asphalt Festival in Düsseldorf will diese gewohnten Strukturen für eine gewisse Zeit aufbrechen und organisiert Tanzperformances, Theaterstücke, Lesungen und Konzerte in der gesamten Stadt.
Dabei werden Kirchen, Bürohäuser oder öffentliche Plätze zu Bühnen umfunktioniert, die die Kunst in einem anderen Licht, eingerahmt in den Alltag der Gesellschaft, erscheinen lassen. Vor genau zehn Jahren wurde das Festival vom Komponisten Bojan Vuletić und dem Regisseur und Schauspieler Christof Seeger-Zurmühlen initiiert. Beide leiten es bis heute. Und mischen E- und U-Kultur munter durcheinander: Musiker*innen wie Alina Bercu und Asagi Nakata führen Stücke wie »Visions of Excess – el sueño de la razon produce monstruos« (auf Deutsch: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer) auf, die die Grenzen von Improvisation und Exzess ausloten, während auf dem gleichen Festival Carsten Mayer alias Erobique, der »letzte Discopunk Deutschlands« mit großartigem, handgemachten Disco-Quatsch alle zum Spaßhaben animiert.
Dass Kunst auch von Verständigung und Austausch lebt, zeigen die Sängerin Liraz Charhi und die Berliner Band Sistanagli. Die Israelin hat für ihr Elektro-Pop-Album »Zan« heimlich mit Musiker*Innen aus dem Iran zusammengearbeitet und singt auf Farsi. Dies ist nicht zuletzt bemerkenswert, da Iranern der Kontakt mit Israelis grundsätzlich verboten ist. Auch die Band Sistanagli ist eine iranisch-israelische Band, die sich der Überwindung von Grenzen verschrieben hat. »Sistan« ist der Name einer iranischen Provinz, während »Nagila« dem Hebräischen Volkslied »Hava Nagila« entlehnt ist, was so viel wie »Kommt zusammen« bedeutet.
Auf der Seebühne am Schwanenspiegel – also mitten auf dem Wasser – liest die Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk aus ihrem Roman »Blauwal der Erinnerung«, in dem sie das Leben eines vergessenen ukrainischen Volkshelden mit dem der Ich-Erzählerin verknüpft. Das Buch der gebürtigen Ukrainerin war bereits 2016 auf Ukrainisch, 2019 auf Deutsch erschienen. Doch gerade angesichts des Krieges gewinnt es eine ganz andere Bedeutung.
Bei der Tanzperformance »Scores That Shaped Our Friendship« vermessen die Schauspielerin und Tänzerin Lucy Wilke und der Performancekünstler Paweł Duduś die persönlichen Beziehungen zueinander und was diese für ihre Freundschaft bedeutet. Duduś bezeichnet sich selbst als Queer-Migrant-Feminist, Lucy Fricke wurde mit spinaler Muskelatrophie geboren. Über diesem Hintergrund erscheint die Performance ihrer Freundschaft nicht nur wie ein persönliches Stück, sondern eben auch als ein politisches Statement.
23. Juni bis 10. Juli in Düsseldorf, asphalt-festival.de