TEXT: STEFANIE STADEL
Gespannte Aufmerksamkeit: Alle Augen sind auf das Experiment gerichtet. Und noch dazu fünf Kameras, die das wirkungsvolle Geschehen im Dämmerlicht festhalten. Zuerst fragt jemand nach einem Feuerzeug, dann durchzieht das Knistern einer Riesen-Wunderkerze die Stille. Man sieht zu, wie sich ganz von selbst eine Kerze nach der anderen an den Funken entzündet, schreckt zusammen beim ersten ohrenbetäubenden Knall, der anschließend durch die Halle hallt – und gleich noch einmal beim zweiten.
Noch ist es ein Testdurchlauf, an diesem Samstagabend in der kühlen weiten Lagerhalle östlich der Düsseldorfer Innenstadt. Doch funktioniert die von vier jugendlichen Expeditions-Teilnehmern und zwei erwachsenen Künstlern ausgetüftelte Kettenreaktion schon nahezu reibungslos: Der Silvesterkracher bringt eine Holzleiste fast zum Kippen, drei dicke Gummireifen setzen sich nacheinander in Bewegung und schubsen ein umgebautes Fahrrad an. Die kleine Erschütterung reicht, um die Schriftrolle unter dem Lenker zu lösen: Flugs breitet sich nun ein langes Schriftband auf dem Boden aus.
So weit zur geglückten Generalprobe im Geheimen. Am folgenden Wochenende wollten die Tüftler mit der Erfindung an die Öffentlichkeit. Dann würden sie ihre silbernen Raumanzüge anlegen, den Bausatz aus Kerzen, Knallern, Latten, Autoreifen zusammenpacken, die Flotte eigens umgebauter Fahrräder besteigen und sich auf den Weg machen vielleicht zu Königsallee oder Schadowplatz. Nach der kurzen Performance würde das entrollte Schriftband mit Klebestreifen auf dem Boden fixiert werden. Als hoffentlich lang bleibendes Relikt, das zum Nachdenken anregt.
»Wirst du dich an morgen erinnern?«, steht darauf. Das Expeditions-Quartett hat sich die gewichtige Frage selbst ausgedacht und in großen pink und lila Lettern auf die Alufolie geklebt. Passend zum Thema der Quadriennale, die unter dem Motto »Über das Morgen hinaus« um den weiten Begriff des Zukünftigen kreist und sich vorgenommen hat, stärker als bisher über den musealen Raum hinaus zu wirken. Dabei auch Leute mitzureißen, die sich sonst weniger um Kunst kümmern.
Wochen vor ihrem offiziellen Start im April geht die Quadriennale darum auf die Straße – nicht nur mit ausgetüftelten Kettenreaktionen. Man unternimmt Erkundungstouren in der Stadt, schaut hinter die Kulissen des Kunstbetriebs, befragt Künstler, Direktoren. Macht außerhalb der hehren Museumshallen von sich reden. Auch im Netz, wo die Unternehmungen der Expeditions-Teilnehmer in Bild, Film oder Text dokumentiert sind. Nicht zuletzt geht es darum, das Kunstereignis im Alltag zu verankern, bevor es Einzug in die Museen hält. Ab April wird man dann auch in den Ausstellungshäusern neugierig aktiv werden.
Nicht nur die vier jugendlichen Erfinder machen dabei mit. Für ihre vielfältigen Expeditionen wirbt die Quadriennale um Teilnehmer aus allen Altersklassen. Vom Grundschulkind im Q10-Team, über den Jugendlichen im Q20-Team und die Midlife-Clique, die unter dem Label Q40 den
Quadriennale-Themen auf den Grund geht, bis zu den gesetzteren Abenteurern – im Q60-Team haben sie unter Anleitung der beiden Expeditions-Initiatoren Nils Kemmerling und Axel Naß erste Pläne geschmiedet. Vor allem wurden Interviewtechniken eingeübt, die bei Befragungen von Passanten in Düsseldorf zur Anwendung kommen sollen.
Egal, was gerade ansteht – immer geben die elf Quadriennale-Begriffe die vage Richtung vor: »Aufbruch / Erde / Himmel / Licht / Fortschritt / Verwandlung / Utopie / Experiment / Feuer / Neugier / Rückzug«.
Und bei jeder der Erkundungstouren kommen jene fantastischen Quadriennale-Mobile zum Einsatz – von Axel Naß eigens entworfen und zusammengebastelt aus gebrauchten Fahrrädern und allerlei artfremden Zutaten: Trichter, Schlauch und Hamsterkäfig, Lichterkette und Spielzeugrakete.
Jedes Gefährt schaut anders aus, nur der spacige Metallic-Look ist allen gemein – »ein bisschen Future muss sein«, raunt Fahrraddesigner Axel Naß. Ganz konventionell hält er es aber mit dem Antrieb per Pedale. Angesichts von Energie-Problemen und CO2-Sorgen sei diese herkömmliche Methode schließlich ungeheuer zukunftsweisend, so Naß.
Noch dazu sind seine Entwürfe ziemlich publikumswirksam. Zumal wenn die Teams sich im passenden Outfit aufs Rad schwingen: von Kopf bis Fuß in silbern-glänzende Raumanzüge gehüllt. »Das sind Astronauten auf Fahrrädern«, erklärte kürzlich eine Mutter ihrem erstaunten kleinen Jungen das merkwürdige Schauspiel.
»Wirst du dich an morgen erinnern?« So lautete die Frage auf der per Kettenreaktion entrollten Alufolie. »Es kommt darauf an, was morgen passiert«, könnte die Antwort heißen. Sollten dabei Future-Gefährte und silbern-verhüllte Gestalten im Spiel sein, die mitten in der Stadt eigenartige Performances zum Besten geben – so werden sie zweifellos im Gedächtnis bleiben.
Die Quadriennale Düsseldorf findet vom 5. April bis 10. August 2014 unter dem Motto »Über das Morgen hinaus« statt. K.WEST ist Medienpartner. www.quadriennale-duesseldorf.de