TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Bottroper Norden. Zwischen Fuhlenbrock und Eigen. Stadtwald, Gewerbegebiete, Halde Haniel. Eigentlich kein Ort für Glamour, eher bodenständig. Deshalb könnte man diesen Gebäudekomplex an der Ausfallstraße nach Kirchhellen auch erstmal für eines der üblichen Autohäuser halten. Statt solider Familienkutschen zu Schnäppchenpreisen stehen aber andere Kaliber auf dem stacheldrahtumzäunten Parkplatz. Glänzende Mercedes- und Maybach-Limousinen, dazwischen einige Smarts und Jeeps; wetterempfindliche Wagenteile sind teilweise noch abgeklebt und in Folie verpackt.
Die Autos, die in langen Reihen auf dem »Brabus«-Gelände auf ihre Auslieferung warten, sprengen jedes Autoquartett in Sachen PS, Geschwindigkeit und Preis. Beispiel gefällig? Der »Brabus Rocket 800«: 800 PS, 370 km/h, ab 473.620 Euro. Der passende Zweitwagen für Kunden, die schon alles haben und als Service den firmeneigenen Hubschrauberlandeplatz nutzen können. »Alles ist möglich – wenn es technisch machbar ist«, lautet die Devise – Ergebnis sind tiefergelegte Geschosse mit Breitreifen, eigens hergestellten Motoren, optimiertem CW-Wert und extravaganter Innenausstattung. Tuning kann man das nicht mehr nennen, was Brabus da höchst erfolgreich veranstaltet; hier werden nicht mal eben ein Billigspoiler aufs Heck genagelt und Rallyestreifen auf die Türen geklebt. Brabus spricht heute lieber von »Veredelung«, obwohl man bei der Firmengründung 1977 erst mal als normales Tuning-Unternehmen angefangen hat.
VEREDELN HEISST ERST MAL AUSEINANDERNEHMEN
Beim Brabus’schen »Veredeln« bleibt indes nichts beim Alten. Meist sind es Mercedes-Modelle, die komplett entkernt werden, um nach Kundenwunsch neu gestaltet zu werden. Selbst die hochtourigen Motoren stammen von Brabus, auch sonst ist vieles echtes Handwerk. In der ungewöhnlich stillen Montagehalle, in der oft nur das Summen der Elektroschrauber zu hören ist, stehen die Wagen dicht an dicht. Teils fehlen Stoßstangen und Scheinwerfer, die Motorhauben sind aufgeklappt, in manchen Innenräumen liegen nur noch Kabelstränge.
Ein »Brabus Rocket 800« in mattschwarzer Lackierung steht aufgebockt auf einer Hebebühne. Nebenan, in der Sattlerei, rattern die Nähmaschinen. Hier entstehen neue Sitzbezüge aus Leder und Alcantara, einem lederähnlichen Microfaserstoff; auch die Teppiche und Lederteile für die Bodenbeläge und Armaturenbretter werden hier zugeschnitten. Das Leder stammt von glücklichen Rindern deutscher Herkunft und ist in 3500 Farben erhältlich. Wer seinen Favoriten immer noch nicht findet, dem wird von Brabus geholfen.
Es ist schon vorgekommen, dass ein Kunde die Handtasche seiner Frau mit dem Wunsch auf den Tresen stellte, dass das Auto in genau denselben Farben und Materialien ausgestattet werden sollte. Es geht aber auch andersrum – da gab Brabus eine Luxus-Handtasche in Auftrag, die zum Design des gerade umgebauten Wagens passen musste. »Der Kunde will sich wiederfinden«, heißt es bei Brabus, auch in einer Innenausstattung aus rotem Straußenleder mit roten Karbonteilen, wenn es denn sein muss. Selbst die Farbe des Garns, mit dem die Lederstücke vernäht werden, wird nach Kundenwunsch ausgewählt.
ALLES RAUS, ALLES NEU
In einer kompletten Innenausstattung werden nicht nur die sichtbaren Wagenteile mit Leder oder anderen Materialien verkleidet, sondern auch der Fußboden, die Unterbauten der Sitze oder das Innere des Handschuhfachs. Selbst kleinste Schraubenabdeckungen bekommen eine Lederhaut; Lüftungsgitter und andere Bauteile aus Kunststoff werden mit einem Softlack in der passenden Farbe umhüllt. Es gibt Kunden, die bei dieser Gelegenheit direkt die Kindersitze (mit eingestickten Namen) oder die Hundebox mit verledern lassen. Dem Mercedes-Kastenwagen »Viano« verpasst Brabus ein komplettes »Lounge Concept« und macht ihn zum mobilen Büro. Drei Monate Zeit brauchen die Monteure, um die komplette Innenausstattung mit Kühlschrank, Dolby-Surround-Anlage, DVD-Wechsler und einem elektrisch versenkbaren 32-Zoll-Flachbildschirm einzubauen.
Wer es eine Nummer kleiner mag – Brabus verwandelt auch Smarts in PS-Protze, wie den »Brabus Ultimate 120«, ein ehemaliger Smart »fortwo« in aggressivem Rot, der wie der »Brabus Rocket 800« zu den »Supercars« gehört –120 PS lassen ihn auf 170 km/h beschleunigen. Auch beim Smart sind Sonderwünsche möglich, momentan wird an einem »fortwo cabrio« geschraubt, der zusammen mit dem dänischen Design-Möbelhaus »BoConcept« entwickelt wurde. In dieser Sonderedition werden Materialien verbaut, die sich auch in deren Möbeln finden, wie braunes Leder oder grauer Filz. Auch mit dem Schweizer Unternehmen »Victorinox« arbeitete man gemeinsam an einer Sonderedition, passenderweise mit einer extra angefertigten Taschenmesserhalterung im Innenraum.
WER BEZAHLT, BESTIMMT
Und dann gibt es noch die Geschichte von dem arabischen Geschäftsmann, der sich das schwarze Hochgeschwindigkeits-Geschoss »Brabus E V12« in Vollausstattung bestellt hatte, nach Lieferung aber in Bottrop anrief und seine Unzufriedenheit äußerte, da der Wagen farblich nicht in seine Sammlung aus 40 Ferraris passe. Was Brabus durch erneuten Umbau und Umlackierung natürlich entsprechend änderte.
Das ist alles hübsch größenwahnsinnig und übertrieben – »Nice to have« eben. Für Scheichs, Filmstars, Formel-1-Weltmeister und Königshäuser, vornehmlich aus Asien, Russland und den Arabischen Emiraten. Statussymbol für die oberen Zehntausend, denen selbst ein Maybach in Serienausstattung nicht mehr reicht, weil 200 Personen auf der Welt dasselbe Auto fahren. Dass man einen »Brabus Rocket 800« oder einen »Brabus E V12« von der Leistung her unter normalen Gegebenheiten unmöglich ausfahren kann, stört da nur wenig. Das geht sowieso nur auf der süditalienischen Hochgeschwindigkeitsteststrecke »Pista di Nardò« in Apulien, wo auch »Brabus« seine Fahrzeuge testet und Geschwindigkeitsrekorde aufstellt. Auf dem zwölf Kilometer langen Rundkurs mit überhöhten Kurven werden die Fahrzeuge bis auf 350 km/h beschleunigt; ein Tempo, bei dem man die Hände vom Steuer nehmen könnte, da die extremen Fliehkräfte den Wagen in der Spur halten.
Selbst für Kunden, die sich gerade einen Privatjet gekauft haben, von dessen altbackener Serien-Lederausstattung aber genervt sind und noch 20 Millionen Euro übrighaben, bieten die Bottroper mit »Private Aviation« neuerdings auch den Komplettumbau des Jets in eine fliegende, Brabus-typische Luxus-Lounge an, inklusive passender Lackierung in Karbon-Optik. Eine entsprechende »Veredelung« ist für den Hubschrauber »Eurocopter 145« möglich, damit auch dieser optisch zur Handtasche der Gattin passt.
Hauptgeschäft von Brabus ist aber weiterhin die »Veredelung« von Automobilen, auch weil es am stark expandierenden Firmensitz keinen Platz für eine eigene Landebahn gibt. Dafür wartet gerade ein weiterer fertig montierter Wagen auf seine Abholung, quasi ein Remix aus alten Bekannten – ein Smart in Maybach-Optik.