An der Seite von Tom Hanks spielt der Shootingstar Helena Zengel, die mit „Systemsprenger“ bekannt und für ihre Rolle der Benni mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Paul Greengrass’ Western „Neues aus der Welt“ führt nach Texas im Jahr 1870.
Zuerst ist da ein Schrei. Helena Zengels Debüt in Hollywood beginnt, womit sie in ihrer Rolle der verhaltensauffälligen Benni in Nora Fingscheidts Film „Systemsprenger“ für Aufsehen sorgte und wofür die 12-Jährige aus Berlin 2020 den Deutschen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin erhielt. Das ungebärdige Mädchen, dem nicht zu helfen ist. Eine junge Wilde, ein weiblicher Kasper Hauser, der Sprache und der zivilen Regeln, Manierlichkeiten und Gewohnheiten kaum mächtig, von einem System ins andere stürzend und keinem ganz zugehörig.
„Irgend etwas dazwischen“. Auch als Johanna / Zikade im Jahr 1870 in Texas. Da steht das blonde Mädchen in eine Decke gehüllt wie eine indianische Squaw vor dem Prärie-Panorama in der aufgehenden Sonne.
Der Bürgerkrieg hat ein Ende. Der Veteran und ehemalige Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks in der ihm eigenen Bedachtsamkeit, für die einst Jimmy Stewart berühmt war) ist nunmehr als Nachrichten-Präsentator – fast wie ein Prediger – im Geschäft und zieht in Texas von Ort zu Ort, um Städtern und Siedlern mit der Lupe vor dem Auge für zehn Cent aus Zeitungen vorzulesen.
Unterwegs liest er ein Mädchen auf. Johanna Leonberger, die kaum spricht, war vor Jahren von den Kiowa entführt worden, deren Dorf nun wiederum Blauröcke zerstört haben, so dass sie doppelt heimatlos und zweifach Waise wurde. In Castroville wohnen deutschstämmige Familienangehörige, Onkel und Tante aus einem anderen Leben. Dorthin will Kidd das Mädchen bringen, das die Indianer Zikade nannten.
Der Titel „News of the World“ spielt hübsch mit der Bedeutung „Aus der Neuen Welt“, wie Antonin Dvoráks Neunte Sinfonie heißt und womit aus europäischer Perspektive Amerika gemeint ist.
„Neues aus der Welt“ ist ein Roadmovie über Zwei, die nicht zusammenpassen, aber vielleicht eben doch zusammengehören. Das ist kein unbekanntes Motiv im Western, den Regisseur Paul Greengrass genregerecht, aber ohne besonderen Akzent inszeniert: weite Landschaft und der Aufstand der Natur, das Sich-Stellen der eigenen Vergangenheit, ein wortkarger Held, eine clevere Außenseiterin, die mit der Kultur ihrer Wahlverwandten verwachsen ist und deren Erinnerung an ihre weiße Kindheit langsam wiederkehrt, schießwütige Strolche, eine Bande Gesetzloser und Skalp-Jäger und unerwartete Verbündete. Zum Ende aber erreicht der Film die sentimentale Lakonie und moralische Selbstüberwindung des Gottvaters und Übervaters John Ford.
(Verfügbar auf Netflix)