Von Hause aus ist Tim Isfort Musiker. Bis 2016 war er ein viel gefragter Kontrabassist und Arrangeur. In jenem Jahr sollte er aber nicht nur die Perspektive wechseln und den Fulltime-Job des Festivalmanagers übernehmen. Als Leiter des renommierten Moerser Jazz-Festivals hat er sich seitdem als erfolgreicher Krisenmanager hervorgetan.
2016 rettete er das finanziell in extremer Schieflage steckende Pfingstmeeting vor dem Aus. Doch kaum hatte Isfort ihm dank kluger und ambitionierter Programmplanung eine hoffnungsvolle Zukunft beschert, bedrohte ein Virus die 49. Festivalausgabe. Statt davor aber einzuknicken, übertrug Isfort einfach sämtliche Konzerte – zur Freude von weltweit über 100.000 Jazzfans – per Livestream im Internet.
2021 bestimmt Corona auch weiterhin das Kultur- und damit das Musikleben. Die Organisator*innen hatten zwar entsprechende Vorkehrungen getroffen und Hygienemaßnahmen geplant, aufgrund der Coronaschutzverordnung muss das Festival auch dieses Jahr leider ohne Publikum stattfinden. Stattdessen werden alle Konzert kostenlos auf arte.concert gestreamt und am Samstag ab 20:05 Uhr auf WDR3 gesendet. Bereits gekaufte Tickets können rückerstattet werden, dennoch freut sich das Festival auch über Spenden an den Förderverein moers friends.
Dennoch gibt es eine kurzfristige Änderung zu vermelden: Aufgrund geänderter Corona-Vorschriften ist es möglich, nun doch vier Konzerte live vor Publikum zu spielen. Die „Freiluft Freejazz Konzerte“ starten Am Viehhof mit Will Guthrie & Ensemble Nist Nah und Decoy with Joe McPhee (21. Mai, 20:51 Uhr), einen Tag später folgt Nihiloxica und das David Murray Trio (22. Mai, 20 Uhr). John Scofield und das Sylvie Courvoiser Trio spielen am Sonntag, (23. Mai, 20:30 Uhr) und Le Grand SBam und Back to Basics bilden das Livefinale (24. Mai, 19:25).
Das von Isfort bislang angekündigte Programm ist vielversprechend. Denn wenngleich es auch zum Wiederhören von gestandenen Moers-Veteranen wie dem Free-Jazz-Trompeter Joe McPhee und dem Sax-Avantgardisten David Murray kommt, ist die 50. Ausgabe so gar nicht retrospektiv oder nostalgisch angelegt. Im Gegenteil. Unter dem regelrecht trotzigen Festival-Motto »Der Kampf um die Zukunft« hat Isfort Bands und Solisten eingeladen, die selbst Kenner der Szene mehr als verblüffen werden. Hyperexpressionistisches Action-Playing garantiert der Auftritt des französischen Gitarristen Julien Desprez. Eine wunderbar schrill-schöne und dann wieder extrem bewegungslustige Hommage an den amerikanischen Jazzbassisten und Oudspieler Ahmed Abdul-Malik präsentiert das Quartett [Ahmed] um Pianist Pat Thomas. Und während die Schweizer Pianistin Sylvie Courvoisier mit Bassist Drew Grass und Drummer Kenny Wollesen ein pyrotechnisch zupackendes Allstar-Trio bildet, verspricht der Auftritt des englisch-ugandischen Kollektivs Nihiloxica eine weltmusikalische, wild pulsierende Rhythmusorgie.
Bei speziell drei Projekten ist zumindest auf der Bühne Social Distancing überhaupt kein Thema. Schließlich gastieren gleich drei Bigbands. Der norwegische Drum-Berserker Paal Nilssen-Love erweitert dafür seine »Large Unit«-Band um äthiopische und brasilianische Musiker und Tänzerinnen. Ganz andere, softe bis meditative Klänge sind die Spezialität der Komponistin und Pionierin der Elektronischen Musik Éliane Radigue, der das »Orchestra of New Musical Creations and Experimentations« eine akustische Reverenz erweist. Anlässlich der 50. Moers-Ausgabe hat sich zudem die »Große Kleine Allee Band« gegründet, in der alle bisherigen Moerser »improviser in residence« mitspielen.
50. Moers-Festival
21. bis 24. Mai 2021
www.moers-festival.de