Emsdetten ist eine kleine Stadt, 35.000 Einwohner. Im Zentrum hat sie sich zu viel moderne Banal-Architektur geleistet. Und weil viele Geschäfte mittags geschlossen sind, kann es dort irritierend still sein. Aber öd sei Emsdetten durchaus nicht, sagt Ingrid Raschke-Stuwe. Sie selbst ist ein Beweis: Seit über zehn Jahren leitet sie in einem alten Fabrikgebäude eine ambitionierte »Plattform für zeitgenössische Kunst«, auf Wunsch der Stadtpolitiker und mit kräftiger Unterstützung aus Emsdetten: die so genannte »Galerie Münsterland«.
Als die Textilfirma Stroetmann ihre stadtnahe Fabrik aufgab, sollten einige Gebäude erhalten bleiben, darunter das alte Kesselund Maschinenhaus. Es wurde restauriert und sieht nun, mit seinen geweißten Wänden und dem schlank aufragenden Kamin, wie ein Musterfabrikchen für die Modellbahnanlage aus. Im Innern hat es zwei Ausstellungsräume – »gut, groß und anspruchsvoll«, wie »Galerie «-Geschäftsführerin Raschke-Stuwe sagt, und ideal für Installationen moderner Kunst.
1992, noch ehe Farbe an den Hallenwänden war, präsentierte sie die erste Ausstellung: »…à Stroetmann«, mit deutschen und französischen Künstlern.
Damit waren Arbeitsprinzipien sichtbar, die für die Galerie Münsterland typisch blieben: Internationalität, Dialog der Kulturen, Aufeinandertreffen mehrerer Künstler – erfahrenen und Newcomern, sowie die Präsentation neuer, für das jeweilige Projekt entstandener Arbeiten. Das ist aufwändig, weil niemandem zugemutet wird, pour le roi de Prusse zu arbeiten, für die vage Hoffnung auf ein wenig Publicity. Die Künstler erhalten ein Honorar; Material, Transport, Anreise und Unterkunft werden bezahlt, ein Katalog wird produziert. Das Geld dafür kommt von Mitgliedern des Galerie-Trägervereins, von regionalen Sponsoren, von der Stadt, projektbezogen außerdem vom Land, von Kunststiftungen, vom Auswärtigen Amt.
Im Vorstand des Trägervereins sitzen derzeit die Leiterin des Emsdettener soziokulturellen Zentrums, der Chef des »Kulturforums « der Nachbarstadt Rheine, je ein Vertreter der Stadtverwaltung und des Kunstvereins Emsdetten sowie eine Architektin. Obwohl – oder eher: weil – er also selbst einigen Sachverstand versammelt, lässt der Vorstand seiner Geschäftsführerin freie Hand. So fließt Geld aus lokalen und regionalen Quellen in die Galerie, obwohl sie keine populistischen Konzessionen macht, kein Durchlauferhitzer für örtliche Talente ist und sich mit drei jährlichen Ausstellungen zwar auch, aber nicht nur an Emsdettener wendet.
Projekte wie »Kimchi und Sauerkraut« (1997, mit Künstlern aus Deutschland und Korea), »Genesis« (1995, Deutschland-Zimbabwe) oder »Blind Date« (2005, Deutschland- China) sind alles andere als bodenständig; gleichwohl ist die Galerie nicht völlig abgehoben. Es gibt Wechselwirkungen mit Emsdetten und der münsterländischen Umgebung.
So beteiligte sich Raschke-Stuwe, nach einigem Zögern, an der »Regionale 2004 rechts und links der Ems« und lud Künstler zu einem Projekt unter dem Namen »Die Werft«. Den Katalog ziert das Foto vom Stapellauf eines Containerschiffes, das per Bildmanipulation zum MS Emsdetten wurde: ein Spiel mit der Vorstellung, dass in der Werft am Emsdettener Mühlenbach Ideen vom Stapel gelassen werden. Kooperationen bringen Synergien, die selbst sparsamen Westfalen gefallen können, und sie verbinden das Haus mit der Region: In den Maschinenhallen macht auch der Kunstverein Emsdetten Ausstellungen, mit dem soziokulturellen Zentrum gibt es kunstpädagogische Projekte. Oft arbeitet die Galerie mit anderen Kunst-Institutionen des Münsterlandes zusammen; am Konzept der »Skulptur-Biennale« hat sie maßgeblich mitgewirkt.
Dass in Zeiten knapper Mittel Kulturelles immer in Frage steht, weiß Ingrid Raschke- Stuwe natürlich. Doch glaubt sie, dass die Stadt zu ihrer selbstgewählten Experimentierwerkstatt steht – weil man durchaus stolz ist auf die Kunst-Werft am Mühlenbach.
Auch 2006 wird dort ein »grenzübergreifendes « Projekt vom Stapel gelassen, zusammen mit dem Kunstverein Bad Bentheim; Künstler setzen sich mit dem Thema »Heim« auseinander: »Home Stories«. Zuvor zeigt im Januar Thomas Wrede seine verwirrend realistischen Fotografien künstlicher Miniaturwelten. Untypisch für die Galerie, aber: »Ich wollte gern mal so etwas machen«, sagt die Werftleiterin. Die Freiheit dazu hat sie in Emsdetten.