Einer von 779. Mohamedou Ould Slahi war Häftling im Militärlager Guantanamo Bay, auch unter der Präsidentschaft von Barak Obama, des Mannes im Weißen Haus, dem der politische Gegner polemisch seinen arabisch klingenden Namen vorwarf und damit sein Amerikanertum in Zweifel zog. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wird »Der Mauretanier« von der Polizei in seiner Heimat mit Hilfe des FBI verhaftet und von den US-Behörden unter dem Vorwurf, die Attentäter unterstützt oder womöglich angeworben zu haben, ein sogenannter Drahtzieher zu sein, verschleppt und über Jordanien und Afghanistan nach Guantanamo Bay auf Kuba verbracht.
Der schottische Regisseur Kevin Macdonald hält sich an das Tagebuch, das Ould Slahi über diese Schreckenszeit verfasst hat und untersucht aus verschiedenen Perspektiven den Verdacht, die Anklage, die Verteidigung, die der Menschenwürde spottenden Haftbedingungen, das politische Drama. Wir werden Zeuge der brutalen Verhör-Methoden und Bedingungen in der Zelle und all jener Prozesse, die parallel ablaufen, sich verknoten und aufzulösen sind, juristischer und auch von Gewissenskonflikten.
»Der Mauretanier« steht in der Tradition des Justiz- und Gerichtsdramas, das etwa Alan J. Pakula aus dem Effeff beherrscht und souverän zu inszenieren gewusst hat. Tatsachenkino mit hoch emotionalem Faktor und energetischer Spannungskurve. Die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Nancy Hollander, die zur Filmpremiere als Eröffnung der Sommer- und Publikums-Berlinale anreiste, übernimmt im Jahr 2005 den Fall. Sie wird gespielt von Jodie Foster mit all den Temperaturgraden, die sie so sehr beherrscht.
Es gilt, nicht bloß die realen Sicherheitsschleusen, die Guantanamo abschirmen, zu überwinden, sondern auch und mehr noch die mentalen, die die dunkle Seite der Macht errichtet, um das demokratisch verfasste Rechtsprinzip außer Kraft zu setzen und sich den Ausnahmezustand in Permanenz zu erlauben.
Nachdem Mohamedou Ould Slahi (Tahar Rahim) über Jahre hin ohne Anklage und Beweise und ohne Aussicht auf ein Verfahren in Isolation und ohne Kontakt zu seiner Familie gehalten wird und unter Folter ein Geständnis ablegt, geht es zunächst darum, ihm überhaupt eine faire Verhandlung zu erkämpfen, bevor Schuld oder Unschuld zu beweisen wären. Dass Hollander und ihre Assistentin Teri Duncan (Shailene Woodley) dies unter den Augen der CIA zu tun haben, erschwert ihre Arbeit. Der Militärstaatsanwalt, Oberstleutnant Stuart Couch (Benedict Cumberbatch), ist zwar der Gegner Hollanders und avisiert die Todesstrafe, aber auch er hegt zunehmend Skepsis gegenüber der staatlichen Autorität und Legitimität, diesen Fall, der beispielhaft steht für viele, so zu be- und zu verhandeln.
2016 kommt Mohamedou frei und kommt zurück nach Mauretanien: eineinhalb Jahrzehnte später.