Es lag im Wartezimmer des Kinderarztes und hatte viele Löcher, an denen Hunderte neugierige Kinderfinger herumgebohrt hatten. Eric Carles Buch »Die kleine Raupe Nimmersatt« war eine meiner ersten, sehr prägenden Erfahrungen im Umgang mit Büchern. Die Menükarte des gefräßigen Tiers kann ich noch heute auswendig aufsagen: Ein Apfel, zwei Birnen, drei Pflaumen, vier Erdbeeren, fünf Apfelsinen, bis dann, großes Finale vor dem eigentlichen Ende, all die leckeren Sachen auf dem Speiseplan stehen. Heute bleibt selbst der kleine Erwachsenen-Finger schon im Apfel stecken, aber meine Kinder verleiben sich Obst, Tortenstücke und Wurstscheiben mit ihren Händen ein. Und so beginnt diese Auswahl dann mit:
1. Eric Carle: »Die kleine Raupe Nimmersatt«
2. Wolf Erlbruch: »Der Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat«.
Darin bringt der große Wuppertaler Illustrator das, worüber Kinder so gerne, Erwachsene am liebsten gar nicht sprechen, zum Klingen, wenn es zu Boden fällt: Bei Möwen macht es »platsch«, bei Pferden »rumpsdipumps« und bei Hasen »ratatata«.
3. Leo Lionni: »Frederick und seine Mäusefreunde«.
An Kinderbüchern, die auf kitschige Weise poetisch sind, fehlt es nicht. Die Geschichten Lionnis, in denen Mäuse Sonnenstrahlen, Farben und Wörter sammeln, verzaubern von der ersten bis zur letzten Seite.
4. Ali Mitgutsch: »Rundherum in meiner Stadt«.
Die Actionfilme unter den Bilderbüchern. Selbst für Mütter und Väter, die meinen, schon alles gesehen zu haben, gibt es bei Mitgutsch viel zu entdecken. Lieblingsbild zurzeit: der Hafen.
5. Ezra Jack Keats: »Hallo, Katze«.
Auf Listen zu finden, die »Bücher mit schwarzen Menschen als Hauptakteur/innen« (ja, die gibt es tatsächlich) versammeln. Unabhängig von der Hautfarbe des jungen Protagonisten: Hier geht es auf für Kinder unvergessliche Weise urban und bunt zu.
6. »Heidi und Peter und die Stadt« von Alain Grée.
Noch mal Stadt, allerdings eine offensichtlich französische. Landeier unterwegs im Kaufhaus, im Zoo, in der Metro – wunderbar stilisiert.
7. Maurice Sendak: »Wo die wilden Kerle wohnen.«
Das wohl schönste Erwachsenenbuch im Kinderzimmer-Regal.
8. Astrid Lindgren & Ilon Wikland: »Weihnachten in Bullerbü«.
Karlsson vom Dach, Lotta, die Kinder aus Bullerbü – sie sehen in unseren Erinnerungen genau so aus, wie Ilon Wikland sie für Astrid Lindgren gezeichnet hat. Nicht spektakulär originell, aber auf prägende Wiese klassisch.
9. Luis Murschetz: »Der Maulwurf Grabowski«.
Ein Buch, das seine Leser schon mit dem Titel auf seine Seite zieht – und sie nie wieder loslässt.
10. Tomi Ungerer: »Die Abenteuer der Familie Mellops«.
Es sind so einfache Geschichten, die Ungerer sehr reduziert zu Papier bringt. Aber eben darum ist ihre Wirkung so groß.