Düsseldorf-Unterbilk, Jürgensplatz 5-7. Hier ist das Polizeipräsidium der Landeshauptstadt, ein monumentales Gebäude mit wuchtigen Backsteinmauern, hellen Kalksteinsockeln und langen Reihen quadratischer Fenster. Sein sachlicher Baustil erweckt nicht den Anschein, dass hier im April 1945 Ereignisse stattgefunden haben, die großen Einfluss auf die Geschichte Düsseldorfs nehmen sollten.
Was damals passiert ist, erzählt das Theaterkollektiv Pièrre.Vers im Rahmen des Düsseldorf Festivals. Sein Stück »Aktion: Aktion!« beleuchtet eine Zeit, in der die Alliierten vor den Toren der Stadt standen, entschlossen, diese »sturmreif« zu bombardieren. Einer kleinen Gruppe Männer gelang es allerdings, das zu verhindern. Sie schlossen sich zum aktiven Widerstand gegen das Nazi-Regime zusammen, besetzten das Präsidium und verhandelten mit den Amerikanern. Ihr Handeln sollte später als »Aktion Rheinland« in die Historie eingehen.
Um die komplexe Geschichte zu erzählen, arbeitet Regisseur Christof Seeger-Zurmühlen mit interessanten Mitteln, und gibt damit auch mögliche Antworten auf die Frage, wie Erinnerung auf kreativer Ebene verhandelt werden kann. »Es geht darum, das Thema künstlerisch erfahrbar zu machen und dadurch miteinander im Gespräch zu bleiben«, sagt der Regisseur. »Aktion: Aktion!« basiert auf Zeitzeugenberichten aus dem Düsseldorfer Stadtarchiv und findet am historischen Schauplatz in einem Innenhof des Polizeigebäudes statt. Das Publikum sitzt auf Drehstühlen zwischen den fünf Spieler*innen ist über ein Kopfhörersystem mit ihnen verbunden. Nach dem Stück wird ein Gespräch mit dem heutigen Oberkommissar Dirk Sauerborn angeboten – und damit die Brücke zu einem Dialog in der Gegenwart geschlagen.
Wechselbad der Gefühle
Mit dieser Mischung aus Schau- und Hörspiel fügt sich Pierre.Vers gut in das Düsseldorf Festival ein. Denn das Format möchte mit seinem Programm »bewusst die Grenzen der künstlerischen Sparten aufbrechen und neue Kontexte schaffen«, sagt Intendant Andreas Dahmen, der dieses Jahr das 30-jährige Jubiläum des Festivals feiert. Es fällt in eine Zeit, die wegen der Corona-Pandemie enorme Herausforderungen mit sich bringt. Auch das Intendantenteam um Dahmen hat in den vergangenen Monaten ein »Wechselbad der Gefühle erlebt«, musste flexibel sein, Programmpunkte streichen, Künstler und Locations umbuchen und einen Hygieneplan erstellen.
Dem Prinzip Vielfalt ist man dennoch treu geblieben. So findet sich im Programm unter anderem die Choreographie »Möbius« der französischen Compagnie XY, die Elemente aus Tanz und Akrobatik poetisch miteinander verbinden will. Die portugiesische Sängerin Lina kündigt an, dem Fado gemeinsam mit dem Produzenten Raül Refree durch Klavier, Akkordeon und Synthesizer einen neuen Anstrich zu geben. Das STEGREIF.orchester mixt in seiner Uraufführung von #bfree die 9. Sinfonie mit europäischen Folksongs – und spielt Beethovens berühmtes Werk noch dazu ganz ohne Noten und Dirigent.
Weil die Kreativszene besonders hart von der Coronakrise getroffen ist, gibt das Festival auch lokalen Künstlern mehr Raum im Programm. In »Face to Face« präsentieren größtenteils Düsseldorfer Künstler kurze Performances aus Tanz, Musik und Schauspiel vor einzelnen Besuchern oder Paaren.
9. bis 27. September