Das hat es so noch nicht gegeben: Einen Aufsichtsrat, der im Durchschnitt 13,46 Jahre alt ist. Vor einem Jahr, als Till, Rebecca, Jolanthe und die übrigen zwölf von der Bochumer »Drama Control« ihre Arbeit aufgenommen haben, lag der Schnitt sogar noch darunter. Sie alle haben ihre eigenen Sorgen. Sind genervt von kratzigen Pullis. Von kratzbürstigen Müttern und Vätern, die nicht verstehen wollen, worum es ihnen wirklich geht. Von Hundekacke und zu teuerem Eis. »Nervt!« hieß entsprechend die erste nachsommerliche Inszenierung, die im September und Oktober in Bochum auf die Bühne gestellt wurde.
Beim Zusehen nervte das, was die »Drama Control« gemeinsamen mit der Jungen Bühne erarbeitet und aufgeführt hat, dann aber plötzlich gar nicht mehr. Superheld*innen sprangen durch ein buntes Bühnenbild, bezwangen die Widrigkeiten des Alltags – und schon zeigte sich, was Theater leisten kann.
Zwischen Lockdown 1 und Corona-Welle 2, im September 2020, war der ungewöhnliche Aufsichtsrat an den Start gegangen. Dank einer umfangreichen Förderung aus dem Programm »Neue Wege« für die Theaterszene des Landes NRW bezog die »Drama Control« ihr Quartier im frisch umgebauten Bochumer Theaterrevier, einem Hallenensemble an der Prinz-Regent-Straße, das schon länger als Standort für Proben gedient hatte. Die Aufgabe des jugendlichen Gremiums lautet hier: unverbrauchte, unvoreingenommene Kreativität freisetzen.
»Das ist Partizipation sehr weit gedacht, so weit wie möglich«, sagt Cathrin Rose, Leiterin des Jungen Schauspielhauses in Bochum: »Ich gebe ein Stück von meiner Macht ab.« Schon zu Beginn ihrer Amtszeit habe sie mit dieser Idee gespielt. Dank der umfangreichen Unterstützungen des vergangenen Jahres und dem abgeschlossenen Umbau der Zeche Eins fügten sich dann Ort und Mittel glücklich zusammen. Die ersten Ergebnisse sind trotz diverser Corona-bedingter Einschränkungen oft unerwartet, bisweilen sogar radikal.
Das Thema Tod tauchte plötzlich auf, ausgerechnet von der jüngsten Drama-Kontrolleurin ins Spiel gebracht. Den Umgang mit dem eigenen Körper finden alle spannend. Die »Drama Control hatte das Stück »Fressen« vom Theaterkollektiv Henrike Inglesias gesehen – und war begeistert. Das soll nun als Gastspiel eingeladen werden. Gerne würde man auch etwas gemeinsam mit denen machen im Theaterrevier. Ob das klappt, ist noch nicht sicher.
»Bildet Banden!« lautet emanzipatorisch angelehnt ein Aufruf an alle neugierigen Heranwachsenden. Hier stehen Genderfragen auf der Agenda, es wird gesungen, eine Bande geht mit Stanislawa Lew dem Verhältnis von Mensch und Roboter nach, und das Problem mit der Religion steht, ganz klassisch, in der Auseinandersetzung mit Gotthold Ephraim Lessings »Nathan« auf dem Bandenplan. Das Drama hat bekanntlich schon rund 240 Jahre auf dem Buckel und besteht offenkundig auch vor dem kritischen Blick der Jungkontrolleure.
Nicht besonders radikal, aber dafür mit Spannung erwartet: Aktuell steht »Die unendliche Geschichte« auf dem Spielplan des Bochumer Schauspielhauses. Im Theaterrevier eröffnet zuvor die passende Ausstellung zur Inszenierung, »eine Reise durch Phantásien in Bildern«. Der Drache Fuchur, die kindliche Kaiserin und alle anderen – in 150 Entwürfen sind sie in der Zeche Eins zu sehen, allesamt als Einsendung von begeisterten Kindern.
Und weil das Experiment mit der jugendlichen Kontrollinstanz auch über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus bereits wahrgenommen wurde, steht schon bald Besuch von außerhalb vor der Tür: Für das kommende Jahr hat sich das landesweite Kinder- und Jugendtheaterfestival »Westwind« im Theaterrevier angesagt.