150 Jahre nach dem Deutschen Requiem des Hamburgers Johannes Brahms hat ein Wahl-Hamburger, der Musiker, Autor und Tomte-Mitbegründer Thees Uhlmann, sich seinen Vers auf den Totentanz gemacht und den Roman »Sophia, der Tod und ich« geschrieben, den ein dritter Wahl-Hamburger und gebürtiger Mecklenburger, der Schauspieler Charly Hübner, für sein Regiedebüt ausgewählt hat.
Zuerst klingeln bei Reiner (Dimitrij Schaad) drei weibliche Zeugen Johavas, dann der Tod in Person, er heißt Morten (Marc Hosemann) und hat das schmale Lebensbüchlein Reiners parat. »Der Tod ist nicht verhandelbar«, Irren menschlich und in gewisser Weise eben auch übermenschlich.
Morten muss Reiner – jung, Vater und ein braver Mensch – abholen. Drei Minuten bleiben, um die Sache ein für allemal zu erledigen. Ursache: unentdeckter Herzfehler. Ein Kuss auf die Stirn – und der Mensch ist hin. Eigentlich. Aber das Abholmanöver geht schief. Auch für den Tod, der nach der missglückten Aktion nicht mehr mir nichts, dir nichts verschwinden kann und außerdem sichtbar geworden ist für die Lebenden. Nicht nur er, sogar Engel können fehleranfällig sein. In dieser Geschichte heißt er/sie Michaela (Lina Beckmann), ist sogar eine avancierte Version mit einem ‚Erz’ als Vorsilbe, blass und blond, tritt auch schon mal in Gestalt eines Bahnschaffners in Erscheinung und hat womöglich den falschen Todbringer beauftragt.
Eine Verkettung irrwitziger Umstände, bei denen Reiners Ex-Gefährtin Sophia (Anna Maria Mühe) eine entscheidende Rolle spielt, hat das Ableben verhindert. Aber eben nur aufgeschoben. Nun nimmt das Roadmovie Fahrt auf, um in den bayerischen Bergen auf einer Ruhebank zu enden. Zunächst führt es zu Reiners Mutter (Johanna Gastdorf) an deren Geburtstag: »Ach, herrje«, was soll sie auch sonst sagen.
Herb wie goldene Zitronen
Tod Morten reist mit, der sich im Irdischen ganz wohl fühlt und zwischendurch einen Rivalen mit Killerinstinkt (Carlo Ljubek) mattsetzt, der die härtere Gangart bevorzugt – vergebens. Manchmal helfen offenbar Flamenco und asiatische Kampftechnik, um die Dunkle Macht aufzuhalten, die als Gewitterfront aufzieht. Alle Wetter! Die Flucht führt durch plattes Land und ein paar deutsch übersetzte Edward-Hopper-Szenerien zu einer Kneipe mit Gästezimmern und ihrem speziellen Herbergsvater und Schankwirt (Gastauftritt: Charly Hübner). Ziel der letzten Reise ist Reiners kleiner Sohn Johnny (Mateo Kanngiesser). Abschied wird gewährt.
Das ist reinste Lebenslob-Poesie mit dem Geschmack von Bier: geschäumt bitter. Und außerdem cool und trocken, herb wie goldene Zitronen, lakonisch mit Sprüchen zwischen Didi und Dada, Fun und metaphysischer Besinnung, musikalischem Schmelz und Schmalz, mit ein bisschen Seele oder sogar deutlich mehr davon, manchmal mit Krawall, immer mit kräftigendem touch of heart. Hübner hat die Todes-Tour d’Allemagne feinst besetzt (nicht zu vergessen: Josef Ostendorf als guter Gott im Penner-Look mit Plastiktüte) und sachdienlich im Geist der Erzählung inszeniert: nämlich total schräg und ganz gerad’ heraus und mit echtem Gefühl bis zur Stopptaste. ****
»Sophia, der Tod und ich«, Regie: Charly Hübner, D 2023, 97 Min., Start 31. August