TEXT: INGO JUKNAT
Unter dem grauen Novemberhimmel wirkt das »Creative Centre« in Köln-Ehrenfeld ein bisschen wie eine DDR-Kulisse. Von weißem Schwimmbad-Klinker tropft Regen, drinnen läuft man auf bunten Teppichen durch schmale Gänge wie in einem alten Hotel. Dass es in diesem Haus um Pop geht, man ahnt es nicht unbedingt. Und doch haben sich hier ein paar der wichtigsten Firmen der Kölner Musikbranche angesiedelt – das Organisationsbüro der c/o pop (s. K.WEST 08.2010), »Sound of Cologne«, ein Interessenverband für Popmusik, das Magazin Intro und, last but not least, das Büro des Gebäude 9.
Der Club selbst liegt auf dem anderen Rheinufer, im Stadtteil Deutz. Früher dienten die Räume als Lagerhalle für Messebau, seit 15 Jahren finden dort Partys, Kino, Theater und Live-Musik statt. Es gibt Menschen, die halten das Gebäude 9 für die beste Konzerthalle der Republik. Nach Gründen muss man nicht lange suchen. Die Liste der Bands, die hier Ihre ersten Deutschland- oder NRW-Shows gespielt haben, ist lang: White Stripes, The Gossip, Maximo Park, Arcade Fire, The Killers, Bloc Party und einige mehr. Selbst Schmachtbarde James Blunt trat hier schon mal auf, vor 18 Zuschauern. Von solchen Ausnahmen abgesehen, kann man das Gebäude 9 durchaus als internationalen Talentschuppen betrachten. Es ist ein Ort, an dem man manchmal die Zukunft des Pop sehen kann – und das in kleinem Rahmen. Bei 450 Besuchern ist Schluss, mehr passen nicht rein. Die Qualität des Bookings hat sich rumgesprochen. Inzwischen kommen die Gäste sogar aus England. »Die wollen ihre Bands lieber bei uns sehen, als in einer 2000er-Halle in Birmingham«, erzählt Pablo Geller, der im Gebäude 9 für die Pressearbeit zuständig ist. Er ist seit 1996 dabei, genau wie sein Kollege und Booker Jan van Weegen. Der Erfolg des Gebäude 9 hat auch mit der Beständigkeit der Mitarbeiter zu tun, in 15 Jahren haben sie Vertrauen aufgebaut – bei den Agenturen, die hochkarätige Bands schicken, und natürlich beim Publikum.
Man könnte meinen, Geller und van Weegen betrieben viel Recherche auf Newcomer-Festivals wie dem »Great Escape« oder »Eurosonic«, aber dem ist nicht so. Geller erklärt das Prinzip mit einem Zitat von den Pet Shop Boys: »I don‘t like to compete / or talk street street street / I can pick up the best from the party animal.« Mit anderen Worten: Wer die Kenner kennt, weiß selbst genug. Und an Freunden mit Pop-Know-how mangelt es dem Team des Gebäude 9 nicht, wie ein Blick aufs Klingelschild des »Creative Centre« beweist. Davon abgesehen, profitieren Geller und van Weegen natürlich auch von ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit den wichtigsten Konzertagenturen des Landes. Die meisten Anfragen kommen über solche Vermittler, manchmal klopfen Bands aber auch selbst an. Sehr aussichtsreich ist das nicht: »Das sind zu 90 Prozent hoffnungslose Sachen. Wir treffen eine ganz starke Auswahl und geben uns nicht mit Mittelmaß zufrieden. Postgrunge-Bands aus dem Weserbergland sind bei uns nicht gut aufgehoben.«
Heutzutage werden kaum noch Platten verkauft, das Geld der Bands kommt über Konzerte rein, die Gagen sind gestiegen. Ist es schwieriger geworden, mit ambitioniertem Programm Geld zu machen? Geller zuckt mit den Schultern: »Mit ambitionierten Sachen hat man es immer schwierig. Wir haben es geschafft, uns über all die Jahre mit einem relativ kompromisslosen Programm zu behaupten – das ist ein mittleres Wunder.« Er hält inne, als käme ihm die Geschichte selbst ziemlich unwahrscheinlich vor. Und das war sie ja auch – vor allem, wenn man die finanzielle Ausstattung des Gebäude 9 bedenkt. Fördergelder gab es kaum, ein paar bauliche Veränderungen wurden aus öffentlichen Töpfen kofinanziert, mehr nicht. Wenn man Geller auf die Unterstützung der Stadt anspricht, findet er klare Worte: »Wenn in Köln etwas kulturell passiert, dann ist es trotz der Stadt.« Es mangele an einem übergreifenden kulturpolitischen Konzept. »Andere Städte gehen da ganz anders heran. Hamburg z.B. hat für Clubs bis zu einer bestimmten Größe rückwirkend die GEMA-Gebühren der letzten zwei Jahre übernommen.« Davon sei Köln weit entfernt, sagt Geller. Die Abwanderung der weltweit größten Musikmesse vor ein paar Jahren hat die Situation nicht einfacher gemacht. »Die Popkomm war ein sehr starker Schub für das Gebäude 9, weil sie dazu geführt hat, dass wir das Ganze ernst genommen haben, dass wir technisch und veranstalterisch auf der Höhe sein wollten. Damals gingen die Leute von Labels und Presse noch wirklich in die Clubs, da hat man viele Leute kennen gelernt.« Die c/o pop, das merkt man Geller und anderen Kölner Konzertveranstaltern an, kann diese Lücke noch nicht so ganz schließen. Immerhin arbeiten alle gemeinsam an einer Verbesserung des Programms. Am Gebäude 9 wird es sicher nicht scheitern.
Gebäude 9, Deutz-Mülheimer Strasse 127-129, Köln. http://www.gebaeude9.de