TEXT: ANDREAS WILINK
Es endet unversöhnlich. Die Freunde bleiben entzweit. Der Menschenfeind Serge Tanneur schaut einsam hinaus auf die See; der leichtlebige Gauthier Valence spielt in Paris auf dem Theater Molières Alceste. Es sollte anders sein, beide Schauspieler sich in den Rollen von Alceste und Philinte abwechseln. Nicht nur eine junge Frau hat das verhindert und den Konflikt geschürt. »Molière auf dem Fahrrad« heißt im Original: »Alceste à Bicyclette«, weil man in Frankreich darauf vertrauen kann, dass die Figur des Misanthropen zum kulturellen Erbe gehört. Die Alexandriner der Komödie des 17. Jahrhunderts sind geläufig. Autor und Regisseur Philippe Le Guay nimmt die Konstellation des Molière-Personals auf und verwandelt sie. Der TV-Serienstar Gauthier besucht seinen Kollegen Serge (ganz hervorragend: Lambert Wilson & Fabrice Luchini) auf der Ile de Ré, wohin der sich zurückgezogen hat, enttäuscht vom Bühnen- und Filmbetrieb, misstrauisch und abweisend. Ein Idealist, der die Menschen gern anders hätte. Gauthier schlägt ihm vor, wieder aufzutreten. Sie proben tagelang die beiden Rollen aus dem »Menschenfeind«, fahren Rad, lernen die schöne Francesca kennen und manches mehr. Peu à peu changieren die Charaktere, verändern sich die Haltungen der Männer. Für einen Moment kann man an vertauschte Köpfe denken. Aber der Rigorismus Serges erhält neue Nahrung. Er kleidet sich ins höfische Kostüm der Louis XIV.-Epoche und ist darin gefangen. Der geschmeidige »Philinte« Gauthier könnte indes sogar der bessere Alceste sein: aus Erfahrung klug.
Start: 3. April 2014.