TEXT: SASCHA WESTPHAL
Es ist nicht so einfach, einen echt guten schlechten Geschmack zu haben. Und es reicht auch nicht aus, allein dem Schäbigen und Widerwärtigen, dem Hässlichen und Gemeinen zu huldigen, wie es in einer vor allem auf Schockeffekte bedachten Popkultur häufig geschieht. Wahrer schlechter Geschmack ist eine ganz eigene Kunst, die niemand so sehr perfektioniert hat wie der 1946 in Baltimore geborene John Waters.
In den 1970er und frühen 1980er Jahren hat sich Waters mit seinen Filmen schamlos über die Grenzen der Schicklichkeit hinweggesetzt und fortwährend die US-Filmzensur herausgefordert. Unvergessen bleibt der Moment, in dem Divine während des Abspanns von »Pink Flamingos« einen frischen Haufen Hundekot isst. Ein Affront, der aber längst nicht nur Ekel und Entsetzen provoziert. In dieser finalen Übung in bad taste offenbaren sich eben auch Waters’ abgründiger Witz und seine bedingungslose Liebe zu allen Außenseitern, die sich um keinen Preis anpassen würden.
Mit seinem dünnen schwarzen Schnurrbart, den er seit mehr als 40 Jahren trägt und der aussieht, wie mit einem Kajalstift gezogen, seiner ausschweifenden Gestik und ausgesuchten Höflichkeit ist der Filmemacher und Schriftsteller, Fotograf und Stand-Up-Komiker einer der letzten großen Dandys. Ein amerikanischer Oscar Wilde, der gerade im Fiesen und Kaputten, in Gewalt und Niedertracht eigene Schönheit und Poesie erkennt. Die Morde, die Kathleen Turner als »Serial Mom« begeht, und die bizarren Obsessionen, denen sich eine von Tracey Ullman gespielte Vorstadt-Hausfrau in »A Dirty Shame« hingibt, sind vor allem Ausbruchs-Fantasien. Der Eintönigkeit und Verlogenheit repressiver Moralvorstellungen setzt Waters seine schillernden Tabubrüche entgegen.
Wie schon in seinen Büchern »Shock Value«, »Crackpot« und »Role Models«, autobiografischen Streifzügen durch die Wunderwelt zelebrierter Geschmacklosigkeiten, wirft Waters auch in der One-Man-Show »This Filthy World« einen Blick zurück. Voller Liebe und äußerst geschmackvoll spricht er über die Filme und Bücher, über die Künstler und Outcasts, die seine Sicht der Welt geformt haben und sie noch bestimmen. Es ist ein so spöttischer wie subversiver Monolog und zugleich grandiose Lehrstunde in der Kunst des schlechten Geschmacks.
»This Filthy World«: Schauspiel Köln (Depot 1) am 7. Februar 2014. http://www.buehnenkoeln.de