GANZ UNTEN
»Die zweite Stadt« in Köln
Köln aufhübschen? Dann mal ans Werk. Wir hätten da noch ein paar Kulturhauptstadt-Projekte übrig, ruft das Ruhrgebiet rüber. Die sind zwar teuer und ambitioniert; aber für Köln, das sich weiland selbst vergeblich für 2010 beworben hatte, die Chance, sich als Second-Hand-Kulturhauptstadt darzustellen. Außerdem hat man hier Übung im Geldversenken. Deswegen könnte das Projekt »Die zweite Stadt« an den Dom verlegt werden. »Die zweite Stadt« war eigentlich für die Zeche Zollverein geplant, wo man sich unter Tage in einem alten Stollen auf eine Kunstreise hätte begeben sollen, um eine Installation von Olafur Eliasson erleben zu können. Am Ende fehlte, wie so oft, der gute Wille.
Köln könnte mit einem »Zweiten Veedel« Kultur und Stadtgeschichte verbinden. Die nötige Infrastruktur, in Form des sich in Bau befindlichen und heiß diskutierten U-Bahntunnels in der Südstadt, hat die Stadt bereits. Weiterer Vorteil: Man bräuchte keine Exponate in die Tiefe zu schleppen, da liegt bereits genug rum. Von römischen Amphoren bis hin zu Weltkriegsschrott und Bombenblindgängern findet sich viel Historisches im Kölner Untergrund. Auch Teile des Stadtarchivs sind schon da unten und warten nur darauf, wiederentdeckt zu werden. Sicher, 1000 Meter Tiefe wie auf Zollverein erreicht man nicht ganz, aber knapp unter Straßenniveau ist auch ganz schön. Statt Olafur Eliasson zu engagieren, könnte man Wechselausstellungen mit Kunst und Kultur veranstalten, die das Verstecken lohnt. Aus den Augen, aus dem Sinn. Gäbe es einen besseren Ort für die Müllmenschen von HA Schult? Ebenso könnten dort unten die »Höhner« ungestört von der uninteressierten Öffentlichkeit die Bühne schunkeln. Und bevor irgendwann doch richtige Züge fahren, würde der Rosenmontagszug unterirdisch (wie eigentlich immer) und zudem regensicher durch den Köllschen Untergrund rollen. Da simma dabei. | VKB
HEINE:RELOADED
Ein Projekt für die Kreativmetropole Düsseldorf
Der Bewohner der Kulturhauptstadt ist ja bekanntlich schon zufrieden, wenn man ihm zwischen Wattenscheid und Wattenscheid-West die Schallschutzwende der A 40 bunt anpinselt. Braucht er die Hauswand eben nicht selbst zu streichen. »Heiteres Braun und Beige steht für Café Latte im Stau und mit kritischem Grau in Grau erzählt eine Anwohnerin von ihrer Staublunge«, so heißt es farbenfreudig in der Gebrauchsanweisung zum Projekt »Barcode«, das die öde Stadtautobahn weniger trist machen soll. Die Schönheit der großen Straße, das ist das Ziel! Große Straßen, davon gibt es ja auch ein paar im Rheinland. Und die A40 Düsseldorfs, das ist die Graf-Adolf-Straße, die größte überhaupt in NRW. Gesäumt von acht Millionen Ansässigen, ruckeln darauf täglich fünf Millionen Bewohner der Kreativagglomeration Monheim-Mettmann-Hilden Stoßstange an Stoßstange in ihren SUV dahin. Agentur-Kapitäne auf dem Weg Richtung Medienhafen.
Künstlerische Interventionen? Die kritzeln diese Alphatiere der Kreativwirtschaft selbst stündlich mit lockerer Hand an das Flipchart. Und Kunst gibt’s an der Graf-Adolf-Straße ja eh schon reichlich. Vor ein paar Jahren hat ein Gärtnerkollektiv dort ein von Autoreifen gesäumtes Palmenatoll installiert. Und im Monkey’s West, dem »Koch-Kunst-Kulttempel«, in dem sich die Kreativen mittags zum »Fine Art Dining« oder einfach nur auf einen Café Latte treffen, hängen Immendorf und Gursky an der Wand. Nur zum Ende hin, dort, wo sich die Graf-Adolf-Straße plötzlich neu erfindet und zur Haroldstraße wird, zerfällt eine Marke. Nicht irgendeine Marke, sondern die Marke der Kreativmetropole Rhein: Heinrich Heine. Ahnherr der Texter, Urvater der Querdenker. Kein geringerer als Bert Gerresheim, einer von drei Millionen Absolventen der weltbekannten Kunstakademie der Stadt, hat den Dichter dort 1981 in Bronze geformt, als »Physiognomische Vexierlandschaft« mit Klettergerüst. Herausgekommen ist ein Schädel, leider nicht aus einem Guss, sondern lieblos zerschnitten und über die Wiese verteilt. Den schweißen wir jetzt wieder zusammen und richten ihn wieder auf – »Heine:reloaded«. Denn diese Stadt verträgt keine halben Sachen. | ANK
EINFACH OBEN DRAUF!
Landmarken für den Niederrhein
Eins der Probleme des Ruhrgebiets war, dass zwar viele durch fuhren, aber keiner da blieb. Was u.a. daran lag, dass das halbe Ruhrgebiet aus Autobahnen besteht, die nicht im Ruhrgebiet enden. Und von denen aus die eine Stadt so aussieht wie die andere; also wie Schallschluckwand.
Um das zu ändern, ist irgendein Tourismusmanager auf die Idee mit den Landmarken verfallen. Das sind nutzlose Gebilde, die auf die Schutthalden des Bergbaus gesetzt wurden und so aussehen, als bedeuteten sie was. Sie ragen so hoch, dass man sie auch von den Autobahnen aus sieht. Und schwupps – nimmt man die nächste Ausfahrt, weil man wissen will, was das da soll. Dass seit Errichtung dieser Landmarken die Zahl der polizeilich Vermissten im Bundesgebiet stark zugenommen hat, ist nur ein Gerücht. Tatsache ist, Landmarken sind Tourismusmagneten. Tatsache ist, dass auch das Rheinland welche braucht.
Den Kölner Dom gibt es schon, ihn sieht man sogar von der anderen Rheinseite aus. Auf dem platten Land zwischen Krefeld und Kleve aber fehlen sichtbare Zeichen. Das muss nicht so bleiben. Aufgepasst: Landmarkensetzen im Rheinland geht so: Zuerst muss ein Berg her. Das ist nicht schwer. Google Maps, und die höchste Erhebung links und rechts des Rheins ist schnell gefunden: Es ist die Rübenmiete von Bauer Oberbarnscheid in Wickrath-Holthuysen. Der zweite Schritt ist komplizierter, er erfordert einen Tante-Emma-Laden. Aber auch den gibt es im platten Niederrheinischen, und er hat sicher auch noch so ein klassisches Tetra-paks in Pyramidenform. Das mit dem abgelaufenen Verfallsdatum ist egal. Nun nimmt man das Tetrapak und stellt es oben auf die Rübenmiete. Und fertig ist eine Landmarke, die es mit dem Gerippe in Bottrop locker aufnehmen kann. Das Tollste ist: Sie ist selbst von der A40 super zu sehen! Das fuchst die Ruhries. | UDE
ENDLICH KOHLE
Eine Zeche für Wuppertal
Das kulturtouristisch größte Manko des Bergischen Landes ist, dass es nicht viel Kohle hat. Wenig in der Erde, keine in den Kassen. Wobei Letzteres ja kein Problem ist, sondern, ganz im Gegenteil, eine Chance für die Stadtentwicklung. Immerhin macht das Ruhrgebiet ja seit einem halben Kulturhauptstadtjahr vor, dass man es auch mit leeren Taschen richtig krachen lassen kann: Hier wird einfach mal eine Autobahn geschlossen, um einen Kulturflohmarkt aufzubauen; da eröffnet man in schwieriger Wohnlage schnell 2 bis 3 ganz neue Straßen, in die dann ein paar Studenten einziehen, damit sie der pensionierten Einwohnerschaft zeigen, dass das In-den-Tag-hinein-Leben auch einen Sinn haben kann. Und um das Andere, für das es dann doch ein bisschen Geld braucht, kümmert sich Berthold Beitz.
All das geht so natürlich nur, weil in Essen die Zeche Zollverein steht. »Das Ruhrgebiet ohne Zollverein ist wie Rom ohne Kolosseum«, heißt es dazu im Programmbuch von Ruhr.2010. Und das ist noch stark untertrieben. Denn während man in Reiseführern über die ewige Stadt auch mal Bilder sieht, die Italiener, Pizzen und Pasta zeigen, hat die Stadt Essen beschlossen, von sich nur noch das bunt ausgeleuchtete Weltkulturerbe zu präsentieren. Das funktioniert. Überall auf der Welt ist man neidisch. Selbst im Reich der Mitte. Weshalb die Chinesen sich Anfang des Jahrtausends probehalber schon mal in Dortmund eine Original-Kokerei gekauft haben. Zu hören ist jetzt, dass sie sich auch noch Zollverein gönnen wollen. Sie könnten die Zeche natürlich auch kopieren. Doch Tradition lässt sich eben nicht einfach nachbauen, sondern nur abreißen, wieder aufbauen und nett ausleuchten. Wenn die Zeche dann aber mal steht, sieht es ordentlich nach Kohle aus. Warum also genehmigt sich Wuppertal nicht einfach Zollverein. Dort, wo jetzt das Schauspielhaus steht, könnte in zwei Jahren Platz dafür sein. Dafür kann man ruhig mal ein bisschen Geld in die Hand nehmen. | ANK