TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Das Kreativ-Volk kann schon mal seine Jutebeutel schnüren; jene, die noch nicht das Weite gesucht und Berlin gefunden haben. Von dort aus betrachtet, wird Köln ja sowieso gerne mal großzügig ins Ruhrgebiet eingemeindet. Deshalb ist die Entscheidung, das kommende »pdf – popdesignfestival« erstmals nicht nur in Köln, sondern auch in Dortmund stattfinden zu lassen, nicht nur konsequent, sondern auch Zeugnis eines gesunden Selbstbewusstseins.
Die hiesige Designszene lebt dann doch noch – trotz Abwanderung und bunter Kreativitätswirtschaftsblasen. Seit zwei Jahren ist das »pdf – popdesignfestival« Verstärker dieser Szene. Es hat mitgeholfen, das ehemalige Kölner Arbeiterviertel Ehrenfeld umzukrempeln und zum »Design Quartier Ehrenfeld« (DQE) weiterzuentwickeln. Die Projektidee des »pdf« stammt von Sabine Voggenreiter und war Gewinner des Ideenwettbewerbs »Create.NRW«, der von der Europäischen Union und dem Wirtschaftsministerium NRW ausgeschrieben wurde. Das Festival versteht sich als Plattform für »Pop- und Designkultur im Crossover von Design, Musik, Film, Urban Art, Streetart, Urban Gardening, Performance und Mode«. Man könnte diesem ambitionierten Genre-Mix Beliebigkeit vorwerfen – das würde aber zu kurz greifen. Die Verbindung zwischen Pop und Design in allen seinen Ausprägungen hat sich bewährt, auch weil man von Anfang an mit dem Musik-Netzwerk »Sound of Cologne« zusammengearbeitet hat.
Zum Auftakt im Jahr 2010 baute die Künstlergruppe »Polyvinyl« in der DQE-Halle fünf Tage lang an einer Soundskulptur aus verformten Schallplatten, die durch Bewegungsmelder auf die Besucher reagierte. Eine weitere Verbindung zwischen Design und Musik war die Performance »utensilloops« des Sounddesigners und Filmkomponisten Greg Le Mec, der mit den Waren des Ehrenfelder Designladens »utensil« musizierte. Neben der DQE-Halle als Zentrum des Festivals fanden und finden die Veranstaltungen an 20 weiteren, ungewöhnlichen Orten statt. Das Konzept kam beim Publikum an, die zweite »pdf«-Ausgabe war »wie das zweite Album: sehr schwer, aber gelungen«, sagt Volker Kraus vom Büro Voggenreiter. Gut besucht war etwa der Filmabend der ProSieben-Spaßnase Simon Gosejohann, der mit seinem Bruder Thilo schräge, selbstgedrehte Indie-Werke wie »Ingo Jownes und die schlimme Mumie« vorführte.
So ähnlich wie Ehrenfeld soll es auch, wenn es gut läuft, dem Dortmunder Union-Viertel ergehen. Die Rheinische Straße ist zwar noch runtergerockt, aber die Anfänge sind gemacht, beispielsweise mit dem Künstler- und Designquartier »Union Gewerbehof« und den benachbarten Ateliers und Galerien, die regelmäßig als »Neue Kolonie West« zum Rundgang laden. Beim diesjährigen »pdf«-Festival setzt man in allen Genres auf den gegenseitigen Austausch – Musiker und Designer werden in beiden Städten zu sehen sein. Organisiert wird das Dortmunder »pdf« vom Design-Netzwerk »Heimatdesign«, das bereits mit der jährlichen Möbelmesse »Designers Fair« im Rahmen der Kölner »Passagen« mit dem Büro Voggenreiter zusammenarbeitet. Für das Festival beweist man Mut und will auch das schwierige und vieldiskutierte Dortmunder »U« bespielen. »Das soll aber keine Marketing-Aktion für das Gebäude sein«, stellt Heimatdesigner Marc Röbbecke klar und führt pragmatische Gründe an. Das Kreativwirtschaftszentrum sei halt da und soll als Teil des Union-Viertels auch entsprechend genutzt werden. Zudem möchte man sich so auch einem größeren Publikum öffnen, das nicht zwingend aus der Design-Ecke kommt; schließlich fällt die lange »Extraschicht«-Nacht terminlich ins Festival.
»Niederschwellig, aber intelligent«, gibt Röbbecke die Richtung des Konzepts vor und betont, dass die Un-Orte am »U« bewusst mit einbezogen werden, wie der Gebäuderiegel der »BIG«-Versicherung, der seinerzeit ohne Rücksicht auf Verluste und Sichtachsen vor das »U« geklotzt worden ist. Hier wird, wie auch in Köln, der Begriff Kreativwirtschaft mit einem »Fotoeditionsverkauf« ernstgenommen – Fotografen werden limitierte Arbeiten präsentieren und zum Kauf anbieten. Im zugigen Durchgang des Gebäudes, dessen Decke immerhin mit hübschen Spiegeln verziert ist, ist Platz für eine gemeinsame audiovisuelle Installation der Musiker »Radioaisle«, »Stereokompost« und der Produktdesigner von »Fremdform«. Ein weiterer Un-Ort, das jugendstilartige Spiegelzelt des Dialekt-Kabaretts »Ruhrhochdeutsch«, wird in Beschlag genommen und mit Bands wie »Locas in Love«, »Parfum Brutal«, »Shoreline is« und »Sisterkingkong« zum Indie-Konzertclub.
Eine Verbindung nach Köln stellt der »Designers Fair Satellit« im »U« her – als sommerlicher, kleiner Bruder der »Designers Fair«. 25 Designer präsentieren ihre Objekte und Möbel – in Form einer Ausstellungsmesse, die eher fertige Produkte statt Prototypen zeigt. Auch ein »Heimatdesign«-Markt soll stattfinden; während der Kölner Festivaltage in der DQE-Halle und in der »Extraschicht«-Nacht auf dem Platz vor dem »U«. Bekannte und weniger bekannte Labels aus der Designszene NRWs bieten ihre Produkte an – wahrscheinlich und erfahrungsgemäß eine Gratwanderung zwischen anspruchsvollen Ideen und selbstgehäkeltem Dawanda-Alltagszubehör.
Da kein Kreativer ohne Apfel auskommt, thematisiert das»pdf« auch 2012 das Trendthema urbane Agrikultur. Die Kölner haben bereits 2011 begonnen, in Ehrenfeld auf dem Areal »Grüner Weg« einen Obsthain mit vorwiegend traditionellen Apfel- und Birnensorten anzulegen. In diesem Jahr wird vor Ort daran angeknüpft – mit Workshops, Diskussionen und Aktionen. In Dortmund will man die sandigen Baubrachen hinter dem »U« erkunden und darüber diskutieren, ob und wie sich diese für ein ähnliches Projekt eignen könnten. An Obstbäume denkt Röbbecke erstmal nicht, sondern an einen Kräuter- und Gemüsegarten; Vorbild ist die Berliner Initiative der »Prinzessinnengärten«, die eine ähnliche Fläche mit Hilfe bepflanzter Kisten in einen Nutzgarten verwandelt hat. Vorteil der Behälter: Der Garten ist mobil, erschlossen werden.
»Zusammen ist man weniger allein« heißt ein französischer Wohlfühlfilm – dieser Titel passt gut zum »pdf«-Festival, dessen Anspruch es ist, mit einem vielfältigen Programm ein möglichst breites Publikum zu erreichen – nicht nur die üblichen Verdächtigen der Kreativszene. Für beide Organisatoren stehen nicht nur die Stärkung der Kreativwirtschaft im Fokus, sondern auch der konsequente Austausch, der Blick über den eigenen Tellerrand und das Voneinanderlernen. Marc Röbbecke hätte da noch eine Idee: »Wir könnten ja in Köln Workshops anbieten, wie man richtig Fußball spielt!«
pdf 2012 – pop design festival 20. – 24. Juni in Köln-Ehrenfeld, DQE-Halle. 25. Juni – 1. Juli in Dortmund, Union-Viertel / Dortmunder U. Kostenloser Eintritt zu allen Veranstaltungen. www.pdf-ehrenfeld.net + www.d-q-e.net +www.heimatdesign.de