TEXT: ANDREAS WILINK
»Each man kills the thing he loves«, lautet ein Vers aus einem Gedicht des wegen »Sodomie« verurteilten Oscar Wilde; Jeanne Moreau singt es in Fassbinders Adaption des Genet-Romans »Querelle de Brest«. Damit hat man schon ein Gutteil des schwulen Kunst-Kosmos ausgeschritten: elitär, snobish, brillant und schwarz-romantisch eingefärbt, so dass sich L’Amour et la Mort im Todeskuss begegnen können. »Kill your Darlings«, heißt entsprechend ein Film über Allen Ginsberg, der zweite in Folge. Zuerst war da das Geheul: »Howl«, das Langgedicht von Ginsberg, stand 1957 in den USA vor Gericht. Nicht in Person des 30-jährigen Autors, sondern seines Verlegers Lawrence Ferlinghetti. Die Anklage lautete: Obszönität. Die Filmemacher Rob Epstein & Jeffrey Friedman drehten »Howl« 2010 und hoben genial ab, gaben eine linear narrative Struktur auf, inszenierten einen grell surrealen Comicstrip und entwickelten eine doku-fiktionale Mischform.
Ginsberg war schwul – und das war für ihn erst mal nicht gut so, bis er Homosexualität als Glücksspender und Zustand zur Schärfung der eigenen und gesellschaftlichen Wahrnehmung akzeptierte. Einsam, gepeinigt von phallischen Phantasien und depriviert, steckt man ihn in die Psychiatrie, wo schon seine Mutter zu Tode kam. Ginsbergs Vor- und Frühgeschichte rollt »Kill your Darlings« auf. Das Debüt von John Krokidas – raffiniert rhythmisiert, mit jazzigen Akzenten und in schön gedimmtes Zwielicht getaucht –schaut auf die Jugend Ginsbergs während seiner akademischen Ausbildung und ist dabei mehr als Randnotiz und Fußnote. Ein College-Drama, wie Peter Weirs »Club der toten Dichter« oder Evelyn Waughs »Wiedersehen mit Brideshead« und von ähnlicher Stimmung.
Spätestens in New York schnappt die Angstfalle zu, hat Allens anfängliche Ich-Ablehnung ihren Ursprung, sind die Abenteuer des Herzens düster grundiert, erfasst ihn der Schwindel der Selbstentdeckung. 1944 ist Allen (angenehm zurückgenommen, kantig wie Robin Williams und gekonnt ungelenk: Daniel Radcliffe) Student der Columbia University und trifft in dem smarten, reizvollen und provokanten Lucien Carr (Dane DeHaan) einen Kommilitonen – und blonden Rimbaud. Durch ihn begegnet er William Burroughs (Ben Foster) und Jack Kerouac (Jack Huston). Konformität im Leben und in der Literatur sowie deren Grenzgebieten lehnen sie ab und putschen gegen die konventionell verhaftete Zeit als Gründerväter der Beat-Bewegung. Männerliebe ist eines der Tabus. Als ein weiterer Satellit um den funkelnden Carr und unglücklich in diesen verliebt, David Kammerer (Michael C. Hall), tot aufgefunden wird, geraten die werdenden Künstler unter Mordverdacht. Kunstpause.
»Kill your Darlings«; Regie: John Krokidas; Regie: Darsteller: Daniel Radcliffe, Michael C. Hall, Dane DeHaan, Ben Foster, Jack Huston, David Cross, Elizabeth Olsen, Jennifer Jason Leigh; USA 2013; 104 Min.; Start: 30. Januar 2014.