TEXT STEFANIE STADEL
Schwarz und schwer liegt er, platsch, auf dem hübsch getrimmten Rasen. Der Körper übersät von Löchern und Dellen. Nichts an diesem monströsen Etwas ist gerade, glatt, gefällig. Alles scheint schwabbelig und ungelenk. Mit seiner Länge von zehn Metern macht der unschöne Gast sich breit in einem der Lichthöfe vom Museum Folkwang. Aber wie kommt er da rein? Gereon Krebber hat das Urvieh geformt und abgelegt. Einer von drei eigenartigen Einfällen, die er in Essen verwirklicht. Es sieht ihm ähnlich, die Einladung ins Top-Museum nicht zur glanzvollen Selbstdarstellung zu nutzen. Viel lieber bewegt sich Krebber am Rande, mag Überraschungsangriffe, legt Störfeuer. In Essen hat er gleich dreimal gezündelt. Über der Kassentheke schwebt bedrohlich eine Art Fallbeil. Den einen Lichthof zieren neuerdings drei kleine quadratische Bassins, gefüllt mit einer zweifelhaften Substanz. Im Nachbarhof schließlich jenes lädierte Monster, das – durch die Fensterflächen ringsum besehen – ein bisschen ausschaut wie ein gestrandeter Wal im leeren Aquarium.
Wal sei okay, stimmt Krebber zu. Doch lässt er auch andere Assoziationen gelten, Süßkartoffel zum Beispiel oder schwarzer Riesenrettich. Den 1973 in Oberhausen geborenen Bildhauer trifft man an diesem Tag nicht im Museum, sondern im 270 Quadratmeter großen Atelier an, gelegen zwischen Wohn- und Gewerbebauten im Kölner Stadtteil Bickendorf. Zwar habe er nie einen toten Wal in natura gesehen, gesteht er. Aber in den Medien kursieren ja reichlich Fotos. Die schwebten ihm wohl vor bei seiner Skulptur – ohne dass Krebber ein exaktes Abbild geliefert hätte.
Auf dem Atelierboden sind in knallgrüner Sprühfarbe die imposanten Umrisse des Riesen aufgezeichnet. Hier ist das Ungetüm herangewachsen. Holzringe bilden sein Grundgerüst. Krebber hat sie zuerst zusammengeschraubt, dann mit Plane übertackert, hinzu kam jede Menge Folie, anschließend wurde alles mit ein paar hundert Rollen Paketband zugeklebt; das lasse sich wunderbar formen und modellieren.
In drei Teilen hat er das 500-Kilo-Werk anschließend nach Essen verfrachtet, durch die Türen gefädelt, zusammenmontiert und am Schluss reichlich Spachtelbitumen aufgetragen, ein Stoff, mit dem man üblicherweise Kellerdecken dichtet. Krebber mag die Masse, ihre »quarkige Konsistenz«, weil sich damit alles wunderbar zuschmieren lasse. Man sieht und hört ihm die Freude am Rühren, Spachteln, Schmieren an.
Das Herumprobieren mit diversen, für den Bildhauer mitunter ziemlich ausgefallenen Materialien spielt keine unwesentliche Rolle in seinem Schaffen. Dabei reicht das Repertoire von Beton bis Mayonnaise. Er strich die fettige Paste einst auf Kreppband und hängte alles im Ausstellungssaal unter die Decke. Es tropfte manchmal, schimmelte, gammelte und roch nach einiger Zeit entsprechend. So etwas finde er spannend: »Diese Vitalkraft am Werke zu sehen. Dinge, die sich regen, obwohl sie ja eigentlich tot sind.«
Tot oder lebendig, schön oder abstoßend, eklig oder faszinierend? Fragwürdigkeiten wie diesen begegnet man oft in seinen Arbeiten, denen eine gewisse Unberechenbarkeit, etwas Geheimnisvolles innewohnt. Es sind kaum Gestaltungsweisen oder bestimmte Materialien, die Krebbers vielfältiges Werk zusammenhalten. Eher scheint es geeint durch bestimmte Eigenschaften: das Humorvolle, das Rätselhafte, häufig auch eine gewisse Widerständigkeit.
Krebbers Arbeiten lehnen sich auf. Auch im Museum Folkwang. Das bedrohliche Beil attackiert die Willkommensgeste des großzügigen Entrees. Der unförmige Wal die Klarheit und architektonische Ästhetik des geometrischen, durchschaubaren Hofes. Selbst die kleinen, auf den ersten Blick bloß schmückenden Becken haben es in sich: Was ist das nur für eine giftig violette Brühe, die nach eigenen Regeln ihre Farbe wechselt? (…)
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der gedruckten Ausgabe von K.WEST.
»GEREON KREBBER.ANTI KÖRPER/OTC« MUSEUM FOLKWANG, ESSEN, BIS 24. JULI 2016; TEL.: 0201/8 84 54 44