// Die Ordnung ist wiederhergestellt. Die Hexen sind weiblich, ansehnlich und manierlich. Dass sie am späteren Abend durch die Verstrebungen des Bühnenbildes turnen, ist nichts im Vergleich zu dem Gesudel und Gemansche eines zunächst berüchtigten, bald berühmten und weit herum gekommenen anderen »Macbeth«. Die drei Damen (Manuela Alphons, Jele Brückner, Veronika Nickl), aufgeputzt wie zum Party-Event, betreten durch die Seiteneingänge das Parkett und nehmen während der 110-minütigen Aufführung Platz unter den Zuschauern: wie diese die meiste Zeit unbeteiligte Zeugen des Zerfalls einer Macht, wenn die Femmes fatales dem Macbeth nicht gerade lasziv ihre fehl zu deutenden Orakel einflüstern. Der Mensch im Banne lockender Werbeversprechungen.
Regisseurin Lisa Nielebock wechselte erstmals von den Kammerspielen ins große Haus. Man hat ihr und sie hat sich damit keinen Gefallen getan. Was in ihrer »Penthesilea« elegant überspielt wur-de und sich in Ibsens »Gespenstern« schon abzeichnete, wird im »Macbeth« virulent: eine gewisse Ratlosigkeit im Erzählerischen, gegenüber der Motivation der Figuren, ihrer psychologischen Durchdringung und Entwicklung, was durch signalhaft starke Zeichensetzungen kaschiert wird. Da ist mehr Formwille vorhanden, als Befähigung, ihn stringent anzuwenden. Alles auf Abstand, doch zugleich hoch affektiv aufgeladen.
Was Nielebock an dem Drama interessiert, bleibt offen, was ihr dazu einfällt, ist »Ein Nichts«. So bezeichnet der Programmzettel eine aus vielen zusammengezogene, aber wesenlose Figur, Bote und Berichterstatter, Hausmeister und -arzt. Der Irrwisch Agnes Riegl zapft Shakespeares Who is Who mit Narr, Puck und Ariel an und ist als kraxelnde, hampelnde, krähende und greinende Begleiterscheinung auf Dauer ziemlich penetrant.
Kaum begonnen, wird dieser mehr angerissene, als ausgeführte »Macbeth« zur rhetorischen Veranstaltung. Die mit Metallstelen und scheppernden Tür-Attrappen bebaute, ansonsten nur von der Maschinerie hoch gehievte oder abgesenkte Bühne (Kathrin Schlecht) scheint für die Inszenierung unbeherrschbar. Die Personen klammern sich an die Rampe oder verlieren sich an die Brandmauer. Schottlands Mannen, ausstaffiert wie Altrocker, suchen emsig nach räumlicher Ausdehnung. Der Einsatz der Mittel ist so beliebig wie banal: schillernde Farbspiele wie aus der Disco-Lichtorgel, malerisch roter Schneefall, Echo-Gewisper, jaulender Sound für die Wahnsinnsarie und ein jammervoll-elegischer Song der Einstürzenden Neubauten, der wie das Motto in einem Partner-Chat behauptet, dass »Sehnsucht die einzige Energie« sei.
Das Ehepaar Macbeth ist damit beschäftigt so zu tun, als würde es denken und im Hirnapparat all das produzieren, was sich in der konkreten Umsetzung als fatal erweist: das Mordgeschäft. Dass der Titelheld schon vor Duncans Abschlachtung bis an die Unterarme rot eingefärbt wurde, markiert ihn gleich mit dem Kainsmal. Martin Rentzsch gibt, obgleich Kraftpaket und Rohling, der Schwachheit Statur. Am Ende rückt er stolpernd ein paar Stühle, als bastele er mit ihnen an seinem brüchigen Wahnsystem. Das entschiedenste, was sich über die ihn pushende Lady sagen lässt, ist, dass sie drei Zigaretten so beiläufig raucht, als habe sie es in der Schwarzen Serie gelernt. Lena Schwarz trägt mondän und frivol Negligé, Abendrobe und Liberace-Weißpelz. Zunächst ganz überlegt coole Sprachmaschine, hat sie plötzlich den Teufel im Leib, fällt ihrem Gatten an den Hals und in gellende Tobsucht, Blutmut, Machttrieb und sexuelle Erregungszustände. Woher Klugheit und Tollheit kommen, lässt sich nicht ergründen, gewiss nicht aus den züngelnden Grimassen und dem neurasthenischen Flattern. »Nicht fummeln, Liebling« möchte man ihr nahe legen.
Während das Böse zu Grunde geht, besetzt die Banalität des Guten in Gestalt des Malcolm (Marco Massafra) zimperlich den Thron. Zunächst mit halbem Hintern, bis sich der Zweikampf Macbeth/Macduff entschieden hat. In effeminiert leiernder Monotonie übernimmt der Königssohn die Krone – so viel Kritik aus engagierter Regie-Sicht an der Wiederkehr des politisch Gleichen muss sein. // AWI