TEXT: STEFANIE STADEL
Oft genug hat er vorgemacht, wie es geht. Hat die Werke seiner Ausstellungen zu Gebrauchsgegenständen gemacht. Jenes kräftig rote Objekt etwa – eine Art längs halbierter Mantel. Auch in der Situation Kunst in Bochum streifte Franz Erhard Walther es über, knotete den Gürtel, regte und bewegte sich derart »ummantelt« im Raum. Kurz, der Künstler tat genau das, was der Betrachter mit seinen Arbeiten tun sollte: selbst aktiv werden. Denn erst die Handlung macht diese Kunst komplett.
Das muss man wissen, wenn man Walthers »Standstücke« in Bochum betritt, auf seinen »Schreitsockeln« vorwärts geht. Und ebenso mit Blick auf jenes Lager der »Probenähungen«, das der Künstler dort eingerichtet hat: gefaltete Sackformen, geschichtete Stoffbahnen, zusammengelegte Hüllen. In Reih und Glied sind textile Rollen, Würfel, Wülste auf dem Fußboden drapiert. Geht es hier zuerst um die Aufbewahrung all der bunten Stücke? Wohl kaum. Eher erscheint das Ganze wie eine farblich und formal wohl ausgewogene Großinstallation.
Alte Kategorien hinter sich lassen, neue Vorstellungen umsetzen, Bewegung in die Kunst bringen – es sind Ideen, die den 74-Jährigen von jeher antreiben. Wenn man heute in der Situation Kunst auf die Ergebnisse seiner Bemühungen trifft, mag man ihre Formen und Farben, die Anordnung bewundern. Mag Spaß daran finden, diese Stücke zu betreten, zu benutzen.
In Erstaunen kann so etwas den Betrachter des 21. Jahrhunderts aber kaum mehr versetzen. Nur wenn er sich die Vorstellungen dahinter klar macht und die Tatsache, dass Walther diese bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert entwickelt hat. Und so sehr vieles von dem unterlief, was damals gültig war. Walther hat es sich damit nicht leicht gemacht in der deutschen Museumslandschaft.
ABSCHIED VOM WERKBEGRIFF
Viel besser kam er 1967 im künstlerisch brodelnden New York an und blieb deshalb für ein paar Jahre dort. Wie Walther, so hatten sich auch amerikanische Künstler dieser Zeit angeschickt, den europäischen Werkbegriff zu verabschieden. Richard Serra etwa oder Robert Morris und die Vertreter des »Neuen Amerikanischen Tanzes« experimentierten mit einfachen Handlungen, bezogen dabei ihr Publikum gezielt in die künstlerischen Aktionen ein.
Anfang der 70er zurückgekehrt, konnte Walther sich auch daheim etablieren. Es folgten vier Teilnahmen an der Documenta in Kassel. Als Professor an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg unterrichtete er spätere Erfolgskünstler wie Martin Kippenberger, John Bock oder Jonathan Messe.
Mit seinem frühen Schaffen hatte er einiges von dem vorweg genommen, was auch Jahrzehnte später noch die Kunstdiskussion zu bewegen vermag. Viele internationale Zeitgenossen – Tino Seghal etwa oder Santiago Sierra – beziehen sich in ihrer Arbeit ausdrücklich auf Walther. Nicht ohne Grund also erinnert man sich gerade in jüngerer Zeit wieder an den lange vergessenen Vorreiter. 2011 erst war er etwa in Krefeld und Herford mit Ausstellungen präsent. Und zuletzt gastierte Walther im New Yorker Museum of Modern Art.
Im Juni will er auch in seiner Bochumer Ausstellung wieder zeigen, worum es ihm schon immer ging und noch immer geht. Wenn er vor Publikum zu einer »Öffentlichen Werkveränderung« antritt.
Bis 1. September 2013, Situation Kunst, Bochum. Tel.: 0234 / 2988901, www.situation-kunst.de. Öffentliche Werkveränderung, 20. Juni, 18 Uhr