TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Ist der Mann überhaupt noch zu retten? Im Sinne seines Albumtitels »SOS Save Olli Schulz«? Jener Olli Schulz, der immer mal wieder bei Joko und Klaas, bei »Neo Paradise« und »Circus Halligalli«, vorbeischaut, um beim gemeinsamen »Buddy-Tag« die Sau rauszulassen und pubertär-ausgelassen mit Pupsspray herumzusprühen? Der, der sich als Filmkritiker Charles Schulzkowski, angetrunken und bewaffnet mit einer Flasche Whiskey, an Helmut Dietl und Bully Herbig (»Du alte Hundelunge!«) herankumpelt, um mit ihnen am roten Premierenteppich »einen Lütten zu trinken«? Der sich mit voller Absicht bei Raabs »Bundesvision Songcontest« mit dem einfach gestrickten Liedchen »Mach den Bibo« auf die Bühne stellt, als kleinster gemeinsamer Nenner für das Publikum, als eine Art akustisch-klampfender Scooter für Mike Krüger-Fans?
Doch, Rettung ist eventuell möglich, denn er kann auch ganz anders. Im Februar hat ihn Pro Sieben für die Sendereihe »Schulz in the Box« in eine Kiste gepackt und an ferne Orte und in fremde Leben verfrachtet. Ins nächtliche Tokio, wo Schulz sich melancholisch durch die Straßen treiben ließ – komisch war da nichts mehr; was man sah, war keine Comedy, sondern ein kleiner großer Film über die Einsamkeit in der Großstadt. In einer weiteren Folge war er ein paar Tage im Gefängnis und gab danach vor den Inhaftierten ein Abschiedskonzert. »Koks und Nutten« hieß das Lied, und wer hier fälschlicherweise mit rustikalem Humor gerechnet hatte, wurde glücklich enttäuscht. Schulz stand da mit seiner Gitarre und sang von einem jungen Mann, der soviel wollte vom Leben, aber durch zuviel Koks, Nutten und falsche Freunde auf die schiefe Bahn gerät – und die harten Kerle im Publikum rangen um Fassung. »Das ist schön, cool, tapfer« kommentierte das ein User sehr treffend auf Youtube.
»Koks und Nutten« findet sich auch auf Schulz’ aktuellem Album »SOS Save Olli Schulz«, zusammen mit weiterem lakonischen Liedgut über das Leben, die Frauen und das Glück. Schulz gehört aber nicht zu den beruflichen, gitarrisierten Leidemännern, die meist vor weiblichem Publikum im eigenen Selbstmitleid untergehen. Er erzählt kleine, teils melancholische Geschichten aus dem Alltag, kompensiert das aber mit garstigen Lieder wie »H.D.F.K.K.« – »Halt die Fresse kriegn Kind« – oder »Spielerfrau«, die verzweifelt den Glamour der internationalen Fußballarenen sucht, auf die am Ende aber nur ein Junge aus »Hamburch-Eiderstedt« wartet.
Der gebürtige Hamburger hat lange als Roadie auf großen Festivalbühnen gearbeitet und wurde von Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch ermuntert, seine Songs auf dem Plattenlabel Grand Hotel van Cleef herauszubringen. Zusammen mit Max Schröder brachte er als »Olli Schulz und der Hund Marie« das Album »Brichst Du mir das Herz, brech’ ich Dir die Beine« heraus, dem folgten »Das beige Album« und »Warten auf den Bumerang«. 2009 erschien sein erstes Soloalbum »Es brennt so schön«, 2013 dann »SOS …«.
Wer Olli Schulz in eine Schublade packen will, sollte vorher die Kommode zerhacken. Dieser Mann passt eh nicht hinein. Singer-Songwriter, Komödiant, großer Junge, Poet, Geschichtenerzähler, Hamburger Schnacker, subversiver Entertainer, In-der-Welt-Herumsteher. In seinem Lied »Weil die Zeit sich so beeilt« heißt es „Wir werden nicht verbrennen in den Fehlern die wir kennen / Nein so wollten wir nie werden und so werden wir nie sein. / Mein Trost ist dass ich zwei kenn’ die aus all dem lernen / Der eine bist wohl Du der andere wär’ ich gern.« Nein, dieser Mann braucht nicht gerettet zu werden. Er rettet uns.
Olli Schulz, »SOS Save Olli Schulz«: Konzert am 6. April 2014 im Zakk, Düsseldorf; die Tour wird im Winter 2014 fortgesetzt. www.ollischulz.com