Ein breitschultriger schwarzer Türsteher im dunklen Anzug und eine grazile Blondine nehmen die Besucher auf den Eingangsstufen zum neuen Museum in Empfang. Die junge Frau drückt den Ankommenden schon mal einen Raumplan in die Hand und bittet, sich am »Counter« anzumelden, während der muskulöse Garde-Mann jeden einzelnen einer genauen Musterung unterzieht. Man fühlt sich erinnert ans Hollywood-Kino und würde sich bei den zwei Damen am Tresen am liebsten mit »I am the terminator « vorstellen. Aber das geht nicht, schließlich musste man sich schon lang vorher zur Besichtung der Julia Stoschek Collection unter bürgerlichem Namen ankündigen, sonst würde der Zugang zu den neuen Hallen gar nicht gewährt. Sind die Namen auf der Gästeliste abgeglichen und abgehakt, darf der Gast die Räumlichkeiten betreten. Diese Szene spielt sich seit dem 23. Juni jeden Samstag in Düsseldorfs bürgerlich gediegenem Wohnviertel Oberkassel ab – selbst in den großen Privatsammlungen in den USA ist die Atmosphäre weniger verkrampft.
Das Gebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, in dem die Sammlung der 32-Jährigen untergebracht ist, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zunächst Malersaal für Theaterkulissen, diente es später als Prüfstand für Luftschiffmotoren, dann als Korsettfabrik und schließlich als Rahmenmacherei. Von diesen frühen Nutzungen ist nichts mehr zu ahnen. Die Berliner Architekten Kühn/Malvezzi haben das Haus in einen geradezu aseptisch anmutenden Ausstellungsraum verwandelt, in dem alles unaufdringliche Präzision und Qualität atmet. Die beiden Stockwerke sind unterteilt durch ein labyrinthisches System hoher, meist U-förmiger Räume, geeignet für die Kunst-Präsentation. Die besteht aus etwa 350 Videoarbeiten, die Stoschek in vier Jahren zusammengetragen hat. In einer ersten Zusammenschau unter dem Titel »Number one: Destroy, she said« zeigt sie ein Zehntel des Ganzen.
Mit einem Kunstwerk, das einen Gewaltakt darstellt, eine Ausstellung einzuleiten, ist ein bewährter Trick. Den Besuchern wird damit unmissverständlich mitgeteilt: Hier setzt sich jemand mit den rauen Seiten des Lebens auseinander – keine Butterblümchen-Romantik oder Räucherstäbchen- Ästhetik. Die Stoschek-Variante dieser probaten Methode lässt einen schweren Hammer wieder und wieder auf ein Wandstück knallen. Sechzig Minuten dauert das in Monica Bonvicinis »Hammering out (an old argument) «. Die Schläge sind im gesamten Erdgeschoss zu hören. Gleich einem Grundakkord hämmern sie dem Besucher das Thema der Schau ein: Gewalt, Zerstörung, Vernichtung.
Der weitere Rundgang bietet einen Einblick in das Who is Who der Videokunst. Werke von Bill Viola, Tony Oursler, Douglas Gordon, Paul Pfeiffer, Dara Birnbaum, Bruce Nauman, Doug Aitken und Gordon Matta-Clark wechseln ab mit noch weniger bekannten, jüngeren Positionen. Die einzelnen Kojen sind auf dem Plan nummeriert und legen einen einfachen Parcours durch die Stockwerke nahe. Allerdings sind die Räume selbst nicht beziffert, was orientierungsschwache Naturen nervös machen kann. Die Anordnung der Videos ist weder nach chronologischen Gesichtspunkten noch nach thematischen oder gar inszenatorischen von Logik geprägt. Vielmehr scheint sie assoziativ oder nach den räumlichen Gegebenheiten erfolgt zu sein.
Auf das drastische Hämmern Bonvicinis folgen drei Videos von Tony Oursler aus den Jahren 1994 bis 1996. Bekannt wurde der New Yorker Künstler vor allem durch seine »dolls« – Puppen, die wie lebendige Wesen erscheinen, jedoch aus Stoffen und anderen Materialien und darauf projizierten Gesichtern bestehen. Hier nun sind hingegen weniger typische Straßen- Szenen Ourslers zu sehen, solche, die nicht wirklich überzeugen. Danach kommt noch einmal Monica Bonvicini mit dem ausstellungstitelspendenden Video »Destroy, she said« (1998) vor.
Inhalt der großen Installation: Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, so wie wir sie aus dem klassischen Hollywood kennen, ein Zusammenschnitt à la Video-Mode. Im weiteren Verlauf der Tour durch die Dunkelkammern der Videogeschichte begegnen wir Paul Pfeiffers »Empire « aus dem Jahr 2004, das den Bau eines Wespennestes in Echtzeit dokumentiert. Dann: »Technology/Transformation: Wonder Woman«, so nennt Dara Birnbaum ihre Arbeit. Mit einer Körperdrehung und einem Lichtblitz verwandelt sich darin eine Frau in ein mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattetes Superwesen. In den fünf Minuten vergreift Birnbaum sich an Trivial-Ikonen wie Batman, Superman oder Spiderman, setzt ihnen ein weibliches Pendant entgegen und stellt damit das öffentliche Bild der Frau zur Diskussion. Gemeinsam mit Valie Export, Ulrike Rosenbach, Rosemarie Trockel und Martha Rosler gehört sie zur ersten Generation der Künstlerinnen, die im Medium Video die Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft hinterfragt. Leider sind in dem ersten Stoschek- Schaulauf sonst keine Videos dieser anderen Pionierinnen zu sehen. Im ersten Stock (auf gut Amerikanisch heißt es selbstverständlich »second floor«) wird man von Robert Smithson empfangen: »Spiral Jetty« von 1970, ein Klassiker der Land Art, dokumentiert die Konstruktion eines spiralförmigen Erdwalls im großen Salzsee von Utah. Ein weiterer Meister der Video-Kunst ist Bill Viola – und jemand, der mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten arbeitet. Bereits in seinem frühen Hauptwerk »The reflecting pool«, entstanden zwischen 1977 und 1979, collagierte er extrem langsame, normale und beschleunigte Zeitverläufe. Die Geschichte, die er erzählt, ist eigentlich banal: Ein Mann springt in einen Pool. Doch lädt Viola die Handlung dramatisch so auf, dass der im Sprung begriffene Mann in seiner Aktion plötzlich eingefroren wird, während die Wellen im Wasser sich weiterhin bewegen. Zur Kollektion addieren sich Videos von Joan Jonas (»Vertical Roll«, 1972), Bruce Nauman (»Stamping in the studio«, 1968) und Gordon Matta- Clark (»Conical Intersect«, 1974), während auf Väter der Video-Kunst wie Nam June Paik, Wolf Vostell, Allan Kaprow und George Maciunas verzichtet wurde.
Bedauerlicherweise gibt es keinerlei Erklärungen, keinen Katalog, keine Handzettel, keinen Audioguide, die erläutern würden, wie die Auswahl zustande kam. Mit dem Eindruck des Willkürlichen ist man entlassen. Hatte ein ähnliches Konzept bei der documenta 11, kuratiert von Okwui Enwezor, schon nicht eingeleuchtet, erweist es sich auch im Privaten von Stoscheks »Collection« als wenig sinnlich und sinnig. Es ist halt so eine Sache mit dem Einhämmern von Kunst. //
Julia Stoschek Collection, Schanzenstraße 54, Düsseldorf, Öffnungszeiten: Samstags 11 bis 16 Uhr (Nur nach Voranmeldung); www.Julia-stoschek-collection.net Tel.: 0211/1752166